Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
herkommt, weil sie sich ihre Zeit ohnehin nur mit Shoppen oder im Kosmetiksalon vertreiben und sich davon hin und wieder bei ausgedehnten Mittagessen mit ihren Freundinnen oder beim Weißwein im Sturehof erholen müssen.«
»Ui«, sagte Konrad. »Ich glaube, da hat jemand Vorurteile.«
»Ich erwürge meine Töchter eigenhändig, wenn sie so werden. Was mich anbetrifft: Selbst schuld, wenn man auf dieser Welt einen Bogen um alles macht, was nach Geld riecht.«
»Vergiss nicht, dass da noch ein kleines Kind im Spiel ist«, bemerkte Konrad. Sofort wurden ihre Züge milder. Sie war knallhart, hatte aber gleichzeitig ein sehr weiches Herz. Nicht zuletzt, wenn es um Kinder ging, die in irgendeiner Weise leiden mussten.
»Ich weiß.« Sie runzelte die Stirn. »Deswegen sitze ich ja hier bis zehn Uhr abends, während Pelle zu Hause vermutlich gerade die Meuterei auf der Bounty live und in Farbe erlebt. Bestimmt nicht für solch eine verwöhnte Tussi.«
Sie tippte noch ein wenig auf ihrer Tastatur herum, bevor sie sich ausloggte.
»Schluss für heute. Ich habe ein paar Anfragen rausgeschickt, aber heute Abend kommen wir da bestimmt nicht weiter. Morgen früh um acht haben wir eine Besprechung mit den Kollegen vom Drogendezernat. Wir hauen uns lieber ein paar Stunden aufs Ohr, damit wir morgen ausgeschlafen sind.«
»Du bist weise wie immer.« Konrad stand auf. »Hoffentlich ist der morgige Tag ergiebiger.«
»Ja, sonst müssen wir noch die Medien mit ins Boot holen«, sagte Petra angewidert.
»Warte es ab, die bekommen eh Wind von der Sache.« Konrad ärgerte sich schon lange nicht mehr über den Einfluss der Boulevardpresse auf ihre Arbeit. Außerdem hatte er eine differenziertere Meinung als Petra zu dem Thema. Manchmal waren die Medien nützlich, manchmal schädlich. Verschwinden würden sie jedenfalls nicht, und es hatte wenig Sinn, gegen Windmühlen zu kämpfen.
»Gute Nacht, Konrad.« Mit großen Schritten ging Petra in den Flur.
»Gute Nacht.« Er machte das Licht aus.
Fjällbacka 1873
O bwohl vieles genau wie vorher war, hatte sich das Leben auf der Insel verändert. Karl und Julian funkelten sie weiterhin böse an und gaben hin und wieder eine verletzende Bemerkung von sich. Ihr machte das jedoch nichts aus, denn sie hatte jetzt Gustav. Sie hatte nur noch Augen für ihn. Mit ihm konnte sie alles ertragen. Sie würde es bis an ihr Lebensende auf Gråskär aushalten, solange Gustav bei ihr war. Nichts anderes war mehr von Bedeutung. Diese Gewissheit und der Glaube an Gott schenkten ihr innere Ruhe. Mit jedem Tag, den sie auf der kargen Insel verbrachte, hörte sie Gottes Wort deutlicher. In ihrer freien Zeit las sie aufmerksam, was die Bibel ihr zu sagen hatte. Ihr Herz war erfüllt von der Botschaft, alles andere berührte sie nicht.
Dagmar war zu Emelies großem Schmerz zwei Monate nach der Rückkehr auf die Insel gestorben. Und zwar auf eine so furchtbare Weise, dass Emelie kaum daran denken mochte. Eines Nachts war jemand in ihr Häuschen eingebrochen, vermutlich um ihre wenigen Wertsachen zu stehlen. Am nächsten Morgen hatte eine Freundin Dagmar gefunden, erschlagen. Emelie hatte Tränen in den Augen, sobald ihr Dagmar und ihr grausames Schicksal in den Sinn kamen. Manchmal war es mehr, als sie verkraften konnte. Wer war so böse und hasserfüllt, dass er eine alte Frau umbrachte, die niemandem etwas zuleide getan hatte?
Die Toten flüsterten nachts einen Namen. Sie wussten Bescheid und wollten, dass Emelie sich anhörte, was sie ihr zu sagen hatten. Aber sie weigerte sich, auch wenn sie Dagmar von ganzem Herzen vermisste. Obwohl Emelie noch immer nicht zum Einkaufen mitgenommen wurde und die Tante gar nicht sah, war es doch gut gewesen zu wissen, dass sie in Fjällbacka war. Nun war sie nicht mehr da, und Emelie und Gustav waren wieder allein.
Ganz stimmte das allerdings nicht. Als sie mit Gustav im Arm zurückgekehrt war, hatten sie auf den Klippen gestanden und sie erwartet. Sie hatten sie auf der Insel willkommen geheißen. Sie konnte sie ohne weiteres sehen. Gustav war jetzt anderthalb Jahre alt, und auch wenn sie sich am Anfang nicht ganz sicher gewesen war, wusste sie nun ganz genau, dass er sie sah. Er winkte ihnen und strahlte übers ganze Gesicht. Ihre Anwesenheit stimmte ihn froh, und seine Freude war das Einzige, was in Emelies Welt Gewicht hatte.
Das Leben da draußen auf der Insel hätte eintönig sein können. Ein Tag glich dem anderen, und trotzdem war sie noch nie so zufrieden
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