Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Küche.« Patrik stand auf, um die anderen zu informieren, und klopfte nach kurzem Zögern auch an Mellbergs Tür.
Nachdem er Petra und Konrad vorgestellt hatte, räusperte er sich und legte besonnen seine Theorie dar. Die Stellen, an denen noch immer große Lücken klafften, ließ er nicht aus, sondern hob sie besonders hervor. Als er fertig war, wurde es ganz still.
»Was wäre in dem Fall das Motiv?«, fragte Konrad nach einer Weile. Er wirkte optimistisch und skeptisch zugleich.
»Das weiß ich nicht. Wir müssen es noch herausfinden. Aber meine Theorie ist in sich logisch. Auch wenn es noch viele Leerstellen zu füllen gilt.«
»Wie machen wir weiter?«, fragte Paula.
»Ich habe Torbjörn am Telefon gesagt, dass wir ihm so bald wie möglich einen weiteren Fingerabdruck schicken, damit er ihn mit denen von der Wohnungstür und der Tüte vergleicht. Wenn sie übereinstimmen, wird alles leichter. Dann gibt es einen Zusammenhang mit dem Mord.«
»Mit den Morden.« Petra sah kritisch, aber auch ein wenig beeindruckt aus.
»Wer kommt mit?« Konrad sah sich in der Runde um. Er war schon halb aufgestanden und schien bereits auf dem Weg zur Tür zu sein.
»Es reicht, wenn Sie beide und ich hinausfahren«, sagte Patrik. »Ihr anderen arbeitet unter den neuen Voraussetzungen weiter.«
Sie traten gerade hinaus in die Sonne, als Patriks Handy klingelte. Seine Mutter. Er wollte zunächst nicht drangehen, drückte aber schließlich doch auf den grünen Hörer. Ungeduldig lauschte er ihrem endlosen Wortschwall. Erica war nicht zu erreichen. Kristina hatte es mehrmals auf dem Handy versucht, aber sie meldete sich nicht. Als sie ihm erzählte, wo Erica hingefahren war, blieb Patrik abrupt stehen. Ohne sich von seiner Mutter zu verabschieden, drehte er sich zu Petra und Konrad um.
»Wir müssen hin. Sofort.«
Die Tür öffnete sich. Erica taumelte zurück. Sie musste sich fast übergeben und begriff, dass sie recht gehabt hatte. Es war Leichengeruch. Ein ekelerregender Gestank, den man nie vergaß. Sie hielt sich beim Eintreten den Arm vor Nase und Mund, um wenigstens einen Teil ihres Geruchssinns auszuschalten. Doch das war unmöglich. Der Geruch durchdrang alles. Sie hatte das Gefühl, dass er sich in jede Pore setzte, wie er in Annies Kleidern gehangen hatte.
Mit Augen, die vor Gestank tränten, sah sie sich um. Vorsichtig ging sie weiter in das Häuschen hinein. Alles war still und friedlich. Nur das Meeresrauschen war von draußen zu hören. Sie musste die ganze Zeit gegen den Würgereiz ankämpfen, widerstand aber dem Impuls, in die frische Luft rauszurennen.
Von hier aus konnte sie das gesamte Erdgeschoss überblicken, doch sie sah nur Alltagsgegenstände. Über einer Stuhllehne hing ein Pullover, und auf dem Küchentisch stand eine Kaffeetasse neben einem aufgeschlagenen Buch. Nichts konnte den muffigen und widerlichen Geruch erklären, der über allem lag.
Eine Tür war geschlossen. Erica hatte panische Angst davor, sie zu öffnen, aber da sie nun schon so weit gekommen war, musste sie es tun. Ihre Hände zitterten, und ihre Knie waren mit einem Mal butterweich. Sie wollte auf dem Absatz kehrtmachen, nach draußen laufen und mit dem Boot nach Hause fahren. Wo sie sicher und geborgen war. Wo es nach zarten Babyköpfen duftete. Trotzdem blieb sie. Sie sah, wie sich ihre eigene zitternde Hand ausstreckte und nach der Klinke griff. Noch immer sträubte sich Erica dagegen, sie hinunterzudrücken, noch immer fürchtete sie sich vor dem, was sich dahinter befand.
Ein plötzlicher Windzug an den Beinen ließ sie herumfahren. Doch es war zu spät. Schlagartig wurde alles schwarz.
Fröhlich und ausgelassen stiegen die Göteborger Ehrengäste aus den Bussen. Bereits auf der Fahrt nach Fjällbacka war Schaumwein serviert worden, und das Resultat war nicht zu überhören. Alle waren bester Laune.
»Es wird alles gutgehen.« Anders legte ihr ermutigend den Arm um die Schultern, während sie die Ankömmlinge willkommen hießen.
Vivianne lächelte traurig. Dies war der Anfang, aber auch das Ende. Und sie konnte nicht in der Gegenwart leben, wenn es auf die Zukunft ankam. Eine Zukunft, die ihr nicht mehr so gewiss wie früher erschien.
Vor den weit geöffneten Türen des Badis betrachtete sie das Profil ihres Bruders. Irgendetwas war anders. Sie hatte immer in ihm lesen können wie in einem offenen Buch, aber nun hatte er sich an einen Ort zurückgezogen, wo sie ihn nicht erreichte.
»Was für ein herrlicher Tag, mein
Weitere Kostenlose Bücher