Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Arme. Dan stand in der Küchentür. Er sagte kein Wort, sondern sah sie nur flehentlich an. Sie konnte seinen Blick jedoch nicht ertragen.
»Ich gehe nach oben und lege mich hin«, sagte sie.
Gewissenhaft packte er alles ein. Er hatte sich wohl gefühlt in der kleinen Wohnung, die fast ein richtiges Zuhause für ihn geworden war. Vivianne und er hatten das nicht oft erlebt. Sie hatten an so vielen verschiedenen Orten gelebt, aber jedes Mal, wenn sie Wurzeln geschlagen und Freunde gefunden hatten, zogen sie wieder um. Sobald Fragen kamen, wenn Nachbarn und Lehrer stutzig wurden und die Tanten vom Sozialamt Olofs Charme schließlich durchschauten, zogen sie um.
Als Erwachsene hatten sie es genauso gemacht. Vivianne und er schienen die Heimatlosigkeit mit sich herumzutragen, offenbar steckte sie ihnen in den Knochen. Ständig waren sie auf der Flucht und zogen von Ort zu Ort, genau wie damals mit Olof.
Obwohl Olof schon lange tot war, lebten sie immer noch in seinem Schatten. Sie versteckten sich und versuchten, sich unsichtbar zu machen. Das Muster wiederholte sich. Es war anders und doch gleich.
Anders machte den Koffer zu. Er hatte beschlossen, die Konsequenzen zu ziehen. Innerlich verspürte er bereits den Verlust, aber wo gehobelt wurde, fielen Späne, wie Vivianne immer sagte. Auch wenn sie recht hatte, war er sich nicht sicher, ob er die Folgen diesmal überblicken konnte. Aber er würde alles erzählen. Man konnte nicht von vorn anfangen, ohne für das geradezustehen, was man getan hatte. Es hatte ihn viele schlaflose Nächte gekostet, zu diesem Schluss zu kommen, aber nun war seine Entscheidung gefallen.
Anders ließ den Blick durch die Wohnung schweifen. Er empfand Erleichterung und Grauen zugleich. Es erforderte Mut, nicht mehr zu fliehen, sondern zu bleiben. Andererseits war es so am einfachsten. Er hob den Koffer vom Bett, ließ ihn aber im Zimmer stehen. Jetzt hatte er keine Zeit mehr zum Nachdenken. Das Fest musste stattfinden. Es würde der Erfolg des Jahrhunderts werden. Und er würde Vivianne dabei helfen. Das war das Mindeste, was er für sie tun konnte.
Es dauerte nicht so lange, wie Patrik befürchtet hatte. In der Wartezeit hatten sie über ihre Ermittlungen gesprochen, und durch Patriks Adern strömte pures Adrenalin. Auch wenn Paula und Martin tüchtige Polizisten waren, fiel ihm auf, dass die Kollegen aus Stockholm ganz anders auftraten. Vor allem beneidete er sie um die gute Zusammenarbeit. Es wurde immer deutlicher, dass Konrad und Petra wie geschaffen füreinander waren. Petra war ungestüm, hatte ständig neue Ideen und spuckte sie sofort aus. Konrad hingegen war weitsichtiger, nachdenklicher und gab kluge Kommentare zu Petras Einfällen ab.
Als das Telefon klingelte, zuckten alle drei zusammen. Konrad nahm den Anruf entgegen.
»Ja? … Ach ja. Hm … Wirklich?«
Petra und Patrik starrten ihn an. Sagte er absichtlich nur wenig, um sie zu quälen? Schließlich beendete er das Gespräch und lehnte sich zurück. Sie starrten ihn an, bis er endlich den Mund aufmachte.
»Treffer. Die Kugeln stimmen überein.«
Es wurde mucksmäuschenstill.
»Ganz sicher?«, fragte Patrik nach einer Weile.
»Hundertprozentig. Es besteht kein Zweifel. Bei beiden Morden wurde dieselbe Waffe benutzt.«
»Donnerwetter.« Petra grinste breit.
»Nun ist es noch wichtiger, mit Westers Witwe zu sprechen. Es muss eine Verbindung zwischen den Opfern gegeben haben, und ich schätze, sie hat etwas mit Kokain zu tun. Wenn man bedenkt, was für Typen in solche Geschäfte verwickelt sind, würde ich mich an Annies Stelle nicht sonderlich sicher fühlen.«
»Machen wir uns auf den Weg?« Petra stand auf.
Durch Patriks Kopf rasten die Gedanken. Er war so in seine Überlegungen versunken, dass er kaum hörte, was sie sagte. Aus seinen vagen Ahnungen kristallisierte sich allmählich ein Muster heraus.
»Ich müsste vorher noch ein paar Dinge überprüfen. Könnten Sie ein paar Stunden warten? Wir fahren dann gemeinsam.«
»Ja, das ginge«, sagte Petra, aber es war ihr anzumerken, wie ungeduldig sie war.
»Prima. Entweder richten Sie sich hier bei uns häuslich ein, oder Sie machen einen Spaziergang durch den Ort. Falls Sie mittagessen wollen, kann ich Ihnen das Restaurant Gestgifveri empfehlen.«
Die Stockholmer Polizisten nickten.
»Dann gehen wir wohl etwas essen. Zeigen Sie uns einfach, in welche Richtung wir müssen«, sagte Konrad.
Als sie weg waren, holte Patrik tief Luft und ging in sein Zimmer. Er
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