Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
sonst würde der Samstag anstrengend. Sam hatte einen bewundernswerten Überblick über die Wochentage und freute sich immer schon ab Sonntag auf die Leckereien am nächsten Samstag.
Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, überlegte sie, ob sie reingehen und vorsichtig versuchen sollte, Sam zu wecken. Irgendetwas sagte ihr jedoch, dass sie damit besser noch ein Weilchen wartete.
In der Dienststelle ruhte die Arbeit. Bertil Mellberg hatte Patrik mit ungewohntem Feingefühl gefragt, ob er wolle, dass die Kollegen zur Beerdigung kämen. Doch Patrik hatte den Kopf geschüttelt. Er ging erst seit wenigen Tagen wieder arbeiten, und die anderen schlichen auf Zehenspitzen um ihn herum. Sogar Mellberg.
Paula und Mellberg waren als Erste am Unglücksort gewesen. Als sie die beiden bis zur Unkenntlichkeit ineinander verknäulten Autos sahen, hielten sie es für unmöglich, dass irgendjemand überlebt haben könnte. Sie warfen einen Blick in den einen Wagen und erkannten Erica sofort. Erst vor einer halben Stunde hatte der Krankenwagen Patrik von der Dienststelle abgeholt, und nun lag seine Frau hier tot oder zumindest schwer verletzt vor ihnen. Die Rettungssanitäter konnten ihnen keine genauen Auskünfte über das Ausmaß der Schäden geben, und die Feuerwehrleute brauchten quälend lange, um das Auto aufzuschneiden.
Martin und Gösta waren zu einem Einsatz ausgerückt und erfuhren erst Stunden später von dem Unfall und Patriks Zusammenbruch. Sie fuhren ins Krankenhaus nach Uddevalla und tigerten den ganzen Abend auf den Fluren auf und ab. Patrik lag auf der Intensivstation, und bei Erica und ihrer Schwester Anna, die auf dem Beifahrersitz gesessen hatte, wurden Notoperationen durchgeführt.
Nun war Patrik wieder da. Zum Glück hatte er nicht, wie zuerst befürchtet, einen Herzinfarkt gehabt, sondern litt an Angina Pectoris. Er war drei Monate krankgeschrieben, und nun hatten die Ärzte ihm zwar erlaubt, wieder zu arbeiten, ihm aber jeglichen Stress streng verboten. Wie auch immer das gehen sollte, dachte Gösta. Mit fast neugeborenen Zwillingen zu Hause, und dazu noch Annas Schicksal. Auch der Abgebrühteste hätte da gestresst reagiert.
»Hätten wir trotzdem hingehen sollen?« Martin rührte in seiner Kaffeetasse. »Vielleicht hat Patrik nein gesagt, obwohl er uns eigentlich gern dabeigehabt hätte.«
»Ich glaube, Patrik hat es so gemeint, wie er es gesagt hat.« Gösta kraulte den Dienststellenhund hinterm Ohr. »Es sind bestimmt genug Leute da. Hier können wir uns sinnvoller betätigen.«
»Wie meinst du das? Heute Vormittag hat noch keine Sau angerufen.«
»Die Ruhe vor dem Sturm. Im Juli wirst du dich noch nach einem Tag ohne Besäufnisse, Einbrüche und Krawall sehnen.«
»Stimmt«, erwiderte Martin. Er war immer der Jüngste in der Dienststelle gewesen, kam sich aber nicht mehr ganz so grün hinter den Ohren vor. Er war nun seit einigen Jahren dabei und hatte an einigen, gelinde gesagt, schweren Fällen mitgearbeitet. Außerdem war er Vater geworden. In dem Augenblick, als Pia ihre Tochter zur Welt brachte, hatte er das Gefühl gehabt, Dutzende von Zentimetern zu wachsen.
»Hast du die Einladung gesehen, die wir bekommen haben?« Gösta streckte die Hand nach einem Ballerinakeks aus und trennte wie üblich den weißen Ring feinsäuberlich vom braunen Boden.
»Welche Einladung?«
»Offenbar haben wir die Ehre, in diesem schicken neuen Laden in Fjällbacka die Versuchskaninchen zu spielen.«
»Im Badis ?« Martin wurde sofort munterer.
»Genau, Erlings neues Baby. Bleibt nur zu hoffen, dass das Projekt besser läuft als dieser ›Raus aus Tanum‹-Quatsch.«
»Ich finde, es klingt gut. Viele Männer finden zwar schon den Gedanken an eine Gesichtsbehandlung zum Lachen, aber ich habe mir einmal in Göteborg eine gegönnt, und das war unheimlich schön. Meine Haut war noch wochenlang zart wie ein Kinderpopo.«
Gösta warf einen abschätzigen Blick auf seinen jungen Kollegen. Eine kosmetische Behandlung? Nur über seine Leiche hätte er sich eine klebrige Masse ins Gesicht schmieren lassen. »Na, sehen wir mal, was die zu bieten haben. Hoffentlich gibt es wenigstens was Vernünftiges zu essen. Vielleicht ein leckeres Nachspeisenbuffet.«
»Wohl kaum«, lachte Martin. »In solchen Restaurants geht es nicht darum, sich einen Ranzen anzufuttern, sondern in Form zu bleiben.«
Gösta sah ihn beleidigt an. Er brachte kein Gramm mehr auf die Waage als beim Abitur. Naserümpfend schnappte er sich noch einen
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