Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Keks.
Zu Hause herrschte Chaos. Maja und Lisen hüpften auf dem Sofa herum, Emma und Adrian prügelten sich um eine DVD, und die Zwillinge brüllten aus vollem Hals. Patriks Mutter schien sich jeden Augenblick von einer Klippe stürzen zu wollen.
»Gott sei Dank seid ihr wieder da«, ächzte sie und überreichte Patrik und Erica je einen Säugling. »Ich habe keine Ahnung, was in die Kinder gefahren ist. Sie haben einfach verrückt gespielt. Und diese zwei hier wollte ich füttern, aber wenn man dem einen die Flasche gibt, fängt der andere an zu schreien, lenkt seinen Bruder ab, und dann fängt der auch noch an …« Sie schnappte nach Luft.
»Setz dich, Mama.« Patrik holte eine Flasche für Anton, den er auf dem Arm hielt. Der Junge hatte ein knallrotes Gesicht und brüllte so laut, wie sein kleiner Körper es erlaubte.
»Bringst du für Noel auch ein Fläschchen mit?« Erica versuchte, ihren schreienden Sohn zu beruhigen.
Anton und Noel waren immer noch winzig. Ganz und gar nicht wie Maja, die schon als Baby groß und robust gewesen war. Trotzdem waren sie im Vergleich zu ihrer Geburtsgröße jetzt riesig. Wie kleine Vogeljunge hatten sie an lauter Schläuchen in ihren Brutkästen gelegen. Sie seien Kämpfernaturen, hieß es im Krankenhaus. Rasch erholten sie sich, fingen an zu wachsen und hatten meistens einen gesunden Appetit. Dennoch blieb die Sorge um die beiden.
»Danke.« Erica griff nach der Flasche, die Patrik ihr reichte, und machte es sich mit Noel im Arm auf dem einen Sessel bequem. Sofort begann er, gierig die Milch zu saugen. Patrik nahm auf dem anderen Sessel Platz, und Anton verstummte genauso schnell wie sein Bruder. Es hatte definitiv seine guten Seiten, dass es mit dem Stillen nicht geklappt hatte, dachte Erica. Sie konnten sich die Verantwortung für die Säuglinge in einem Ausmaß teilen, das bei Maja, die damals rund um die Uhr an ihrer Brust zu hängen schien, unvorstellbar gewesen wäre.
»Wie war es?«, fragte Kristina. Sie hob Maja und Lisen vom Sofa herunter und schickte sie zum Spielen hinauf in Majas Zimmer. Emma und Adrian mussten nicht mehr überredet werden, sie waren bereits im Obergeschoss verschwunden.
»Wie soll ich es ausdrücken«, sagte Erica. »Ich mache mir Sorgen um Anna.«
»Ich auch.« Vorsichtig rutschte Patrik in eine bequemere Stellung. »Ich habe das Gefühl, dass sie sich vor Dan verschließt. Sie hält ihn auf Distanz.«
»Das stimmt. Ich habe versucht, mit ihr darüber zu reden, aber nach allem, was sie durchgemacht hat …« Erica schüttelte den Kopf. Es war so unfassbar ungerecht. Annas Leben war jahrelang die Hölle gewesen, aber in letzter Zeit schien sie endlich ihren Seelenfrieden gefunden zu haben. Sie war so glücklich über das Kind gewesen, das sie und Dan erwarteten. Es war so unglaublich grausam.
»Emma und Adrian scheinen allerdings ganz gut damit zurechtzukommen.« Kristina warf einen Blick nach oben, wo fröhliches Kinderlachen ertönte.
»Ja, vielleicht«, sagte Erica. »Im Augenblick freuen sie sich wahrscheinlich vor allem, weil ihre Mama wieder zu Hause ist. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie wirklich schon begriffen haben, was passiert ist.«
»Da hast du wahrscheinlich recht.« Kristina betrachtete ihren Sohn. »Und was ist mit dir? Solltest du nicht noch ein bisschen zu Hause bleiben und dich richtig erholen? Niemand dankt es dir, wenn du dich in dieser Dienststelle zu Tode schuftest. Dieser Vorfall war ein Warnschuss.«
»Im Moment geht es dort vermutlich ruhiger zu als hier.« Erica deutete auf die Zwillinge. »Aber ich habe natürlich das Gleiche gesagt.«
»Mir tut es gut, wieder zu arbeiten, aber ich bliebe auch noch eine Zeitlang zu Hause, wenn du mich darum bitten würdest, das weißt du.« Patrik stellte das leere Fläschchen auf den Wohnzimmertisch und legte sich Anton geschickt über die Schulter, damit der sein Bäuerchen machte.
»Wir kommen jetzt ausgezeichnet zurecht.«
Erica meinte das wirklich. Nach Majas Geburt hatte sie ständig das Gefühl gehabt, sich in einem dichten Nebel zu bewegen, aber diesmal war alles anders. Vielleicht hatten die Umstände bei der Geburt der Zwillinge keinen Raum für Depressionen gelassen. Außerdem erwies es sich als günstig, dass sie im Krankenhaus bereits einen festen Rhythmus gefunden hatten. Nun aßen und schliefen sie ganz brav zu bestimmten Zeiten und dazu noch gleichzeitig. Nein, sie machte sich wirklich nicht die geringsten Sorgen, dass sie es nicht schaffen würde,
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