Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
wir, diesen Fall einen großen Schritt voranzubringen.« Er grinste breit.
»Genau so habe ich mir das vorgestellt.« Auch Gösta strahlte. »Es wird Zeit, dass wir den Jungspunden zeigen, was wir alten Recken draufhaben.«
»Du bist ein Genie, mein Freund.«
Gemeinsam gingen sie in die Garage. Die Veteranen waren auf dem Weg in den Kampf.
Annie badete ihn noch einmal. Sie schöpfte das kühle salzige Wasser über seinen Körper, feuchtete seine Haare an und achtete sorgsam darauf, dass ihm kein Tröpfchen in die Augen rann. Er reagierte zwar nicht mit Wohlbehagen, aber er schien auch nichts dagegen zu haben. Still lag er in ihren Armen und ließ sich waschen.
Sie wusste, dass er früher oder später aus dem Dämmerzustand erwachen würde. Sein Gehirn verarbeitete, was passiert war. Dinge, die niemand erleben sollte. Schon gar nicht jemand, der noch so klein war. Kein Fünfjähriger sollte von seinem Vater getrennt werden, aber sie hatte keine Alternative. Die Flucht war notwendig und der einzige Ausweg gewesen, sie und Sam mussten allerdings einen hohen Preis dafür zahlen.
Sam hatte Fredrik geliebt. Er hatte nicht die Seiten an ihm gesehen, die sie kannte, hatte ihn nicht auf eine Weise erlebt wie sie. In Sams Augen war Fredrik ein Held, der gar nichts falsch machen konnte. Er hatte seinen Papa vergöttert. Vor allem deshalb war es so schwer gewesen. Doch sie hatte keine Wahl gehabt.
Trotz allem, was passiert war, schmerzte es sie, dass Sam seinen Vater verloren hatte. Was auch immer Fredrik ihr angetan hatte, Sam hatte er viel bedeutet. Nicht mehr als sie, aber doch viel. Nun würde Sam ihn nie wiedersehen.
Annie hob Sam aus dem Wasser und legte ihn auf das Handtuch, das sie auf dem Steg ausgebreitet hatte. Ihr Vater hatte immer gesagt, Sonne sei gut für Körper und Seele, und die wärmenden Strahlen waren tatsächlich wohltuend. Über ihnen kreisten Möwen. Wenn es Sam wieder besserging, würde es ihm sicher Freude machen, sie zu beobachten.
»Mein süßer kleiner Liebling.« Sie strich ihm übers Haar. Er war noch so klein und so hilflos. Sie hatte das Gefühl, als wäre er gerade noch ein Baby gewesen und hätte mühelos in ihrem Arm Platz gefunden. Vielleicht sollte sie ihn doch zum Arzt bringen, aber ihr Mutterinstinkt wehrte sich heftig dagegen. Hier war Sam sicher. Er brauchte weder Krankenhaus noch Medikamente, sondern nur Ruhe und ihre Fürsorge. Dann würde er bald wieder gesund und munter sein.
Sie erschauerte. Über den Steg wehte nun eine kältere Brise. Hoffentlich erkältete Sam sich nicht. Mit einer gewissen Anstrengung stand sie mit ihm im Arm auf und ging zum Haus. Sie stieß die Tür mit dem Fuß auf und trug ihn hinein.
»Hast du Hunger?«, fragte sie, während sie ihn anzog.
Er sagte nichts, aber sie setzte ihn trotzdem auf einen Stuhl und fütterte ihn vorsichtig mit Cornflakes. Beizeiten würde er zu ihr zurückkommen. Das Meer, die Sonne und ihre Liebe würden die Wunden an seiner Seele heilen.
Erica versuchte, jeden Nachmittag, wenn sie Maja vom Kindergarten abholte, einen Spaziergang zu machen. Die Jungs sollten an die frische Luft, und sie brauchte Bewegung. Der Zwillingskinderwagen war als Trainingsgerät gar nicht ungeeignet, und wenn auf dem Rückweg auch noch Maja auf dem Kiddyboard stand, war es eine echte Herausforderung, die Fuhre nach Hause zu schieben.
Sie beschloss, heute den langen Weg zu machen, am Badis und der Konservenfabrik Lorenz vorbei, anstatt direkt den Galärbacken hinaufzumarschieren. Am Kai unterhalb des Badis blieb sie stehen, hielt sich die Hand wie einen Sonnenschirm über die Augen und betrachtete das alte Gebäude, das mit seinem frischen weißen Anstrich strahlend in der Sonne lag. Sie freute sich, dass es restauriert worden war. Abgesehen von der Kirche fiel einem das Badhuset als Erstes ins Auge, wenn man mit dem Boot ankam. Über Jahre war es immer mehr heruntergekommen, und am Ende schien es jeden Augenblick einzustürzen. Nun war es wieder der Stolz von Fjällbacka.
Glücklich holte sie Luft und schmunzelte ein wenig über sich selbst, weil ein altes Gebäude, ein paar alte Bretter und ein bisschen Farbe sie so rührten. Doch eigentlich war es mehr als das. Sie hatte eine Reihe von schönen Erinnerungen daran, und das Haus hatte, wie bei den meisten Bewohnern von Fjällbacka, einen ganz besonderen Platz in ihrem Herzen. Das Badis war ein Stück Geschichte, das nun wieder fest in Gegenwart und Zukunft verankert war. Kein Wunder, dass sie
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