Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Unterlagen natürlich sicher. Und da wir in einem Mordfall ermitteln, sind wir berechtigt, uns alles anzusehen.«
Leila schien einen Augenblick zu überlegen.
»Klar«, sagte sie schließlich. »Es wäre mir am liebsten, wenn die Akten dieses Büro nicht verlassen würden. Wenn Sie sich damit begnügen, sich vor Ort ein Bild zu machen, können Sie alles lesen, was wir hier haben.«
»Das ist in Ordnung. Vielen Dank«, warf Martin ein.
»Wir kommen gerade von Sven Barkman«, sagte Patrik.
Sofort fingerte Leila wieder an ihrer Kette herum. Sie beugte sich vor.
»Wir sind vollkommen auf gute Zusammenarbeit mit dem Sozialamt angewiesen. Ich hoffe, Sie haben nicht den Eindruck erweckt, mit unserer Tätigkeit stimme etwas nicht. Wie gesagt, wir werden bereits beobachtet, weil wir als ein wenig unorthodox gelten.«
»Nein. Wir haben ihm den Grund unseres Besuchs genau erklärt und darauf hingewiesen, dass wir keine Zweifel an Freistatt haben.«
»Das höre ich gern.« Leila wirkte trotzdem nicht ganz beruhigt.
»Sven schätzte, dass etwa dreißig Frauen im Jahr über die verschiedenen Sozialämter zu Ihnen kommen. Stimmt das?«, fragte Patrik.
»Ja, ich glaube, diese Zahl habe ich Ihnen auch genannt, als Sie letztes Mal hier waren.« Sie sprach nun in einem geschäftlicheren Ton und hatte die gefalteten Hände vor sich auf den Schreibtisch gelegt.
»In wie vielen dieser Fälle bekommen Sie – wie soll ich sagen? – Probleme?« Martin schien es beinahe eilig zu haben, seine Frage anzubringen, und Patrik machte sich wieder bewusst, dass er Martin mehr Freiraum lassen musste.
»Mit Problemen meinen Sie wahrscheinlich, dass Männer bei uns auftauchen.«
»Ja.«
»Das kommt eigentlich nicht vor, muss ich sagen. Die meisten Männer, die ihre Frauen oder Kinder schlagen, begreifen nicht, dass sie unrecht handeln. In ihren Augen sind die Frauen schuld. Es geht um Macht und Kontrolle. Wenn sie jemanden bedrohen, dann ihre Frauen, und nicht die Sozialarbeiter.«
»Gibt es nicht auch andere Fälle?«, fragte Patrik.
»Ja, sicher. Einige wenige pro Jahr. Solche Dinge erfahren wir meistens vom Sozialamt.«
Patriks Blick blieb an einer der Zeichnungen an der Wand hinter Leila hängen. Eine riesige Gestalt neben zwei kleineren. Die große hatte scharfe Zähne und sah wütend aus. Die kleinen Gestalten weinten dicke Tränen, die auf die Erde tropften. Er schluckte. Ihm wollte einfach nicht in den Kopf, wie jemand gestrickt war, der seine Frau oder gar seine Kinder schlug. Allein bei dem Gedanken, Erica oder den Kindern weh zu tun, verkrampften sich seine Hände.
»Wie werden Ihre Fälle behandelt? Fangen wir doch einmal ganz von vorne an.«
»Das Sozialamt ruft an und schildert uns die Lage. Manchmal kommt die Frau zunächst einmal vorbei, bevor sie ganz zu uns zieht. Oft wird sie von einem Mitarbeiter des Sozialamts begleitet. Wenn nicht, nehmen die Frauen ein Taxi, oder eine Freundin bringt sie.«
»Und was passiert dann?«, fragte Martin.
»Das kommt darauf an. Möglicherweise entspannt sich die Situation, nachdem die Frau eine Zeitlang hier war, und die Probleme lassen sich anschließend auf normalem Wege lösen. Manche Frauen müssen wir an ein anderes Frauenhaus vermitteln, wenn es hier in der Gegend zu brenzlig für sie wird. Mitunter wird auch juristischer Beistand benötigt, dann, wenn es darum geht, sich im gesamten Meldewesen unsichtbar zu machen. Wir reden hier ja über Frauen, die seit Jahren in ständiger Angst leben. Sie haben unter Umständen Symptome, die man von Kriegsgefangenen kennt, und reagieren zum Beispiel mit totaler Handlungsunfähigkeit. Dann müssen wir auch konkret mit anpacken und praktische Unterstützung leisten.«
»Und was ist mit der Psyche?« Patrik betrachtete das Bild von dem großen schwarzen Mann mit den scharfen Zähnen. »Können Sie auf diesem Gebiet auch Unterstützung anbieten?«
»Nicht in dem Umfang, wie wir es gern täten. Das ist ja eine Frage des Personals. Wir kooperieren jedoch mit einigen Psychologen, die ehrenamtlich für uns arbeiten, und bemühen uns in erster Linie um Therapieangebote für die Kinder.«
»In der Zeitung hat man ja so einiges über Frauen gelesen, die mit Hilfe von Frauenhäusern ins Ausland geflohen sind und dann eine Anzeige wegen Kindesentführung bekommen haben. Ist Ihnen ein solcher Fall bekannt?« Patrik beobachtete Leila scharf, aber sie verzog keine Miene.
»Ich kann nur wiederholen, dass wir auf eine gute Zusammenarbeit mit dem
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