Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition)
sie und drückte sie nach unten, ähnlich wie er seinem Hund Platz befahl, wenn er mit ihm auf die Jagd ging. In dem frostigen Schlafzimmer – sie machte niemals Feuer – ließ er seinen Samen erst auf ihrer Haut erkalten, ehe sie aufstehen durfte.
Dann ging er nach oben und saß in seinem Arbeitszimmer, legte die Füße auf den Tisch und dachte an nichts. Er hatte sich darin geübt, an absolut nichts zu denken.
An Mittwochnachmittagen machten sie Visite bei den Armen. Nichts war ihm verhasster; die geduckten Häuser, die geflickten Möbel, die Frauen, die Kleidung und Netze mit derselben Nadel und demselben groben Zwirn ausbesserten. Die Häuser rochen nach Hering und Rauch. Es war ihm ein Rätsel, wie man in solchem Elend leben konnte. Eher hätte er sich umgebracht.
Mitfühlend saß seine Frau da und hörte sich die Geschichten an, in denen es kein Holz, keine Eier, entzündetes Zahnfleisch, tote Schafe, kranke Kinder gab, und jedes Mal wandte sie sich zu ihm, der er grübelnd am Fenster stand, und sagte: »Der Pastor hat ein tröstendes Wort für Sie.«
Er drehte sich niemals um. Er murmelte etwas von der Liebe Jesu und ließ einen Shilling auf dem Tisch liegen.
»Du warst hart, Babel«, sagte seine Frau, während sie zusammen zurückgingen.
»Soll ich etwa heucheln, so wie du?«
Da schlug er sie zum ersten Mal. Nicht einmal, sondern immer und immer wieder, und dabei brüllte er: »Du dumme Hure, du dumme Hure, du dumme Hure.« Geschwollen und blutend ließ er sie auf dem Steilpfad liegen, rannte zurück zum Pfarrhaus und in die Spülküche, wo er den Deckel vom Kupferkessel stieß und beide Arme bis zum Ellenbogen in kochendes Wasser tauchte.
Er ließ sie eingetaucht, brüllend, bis die Haut rot wurde und sich zu schälen begann, und als die Haut weiß war und an den Fingern und in der Handfläche Blasen schlug, ging er hinaus und fing an, Holz zu hacken, bis seine Wunden bluteten.
Mehrere Wochen lang ging er seiner Frau aus dem Weg. Er wollte sich entschuldigen, und es tat ihm wirklich leid, aber er wusste, er würde es wieder tun. Nicht heute oder morgen, aber es würde aus ihm hervorbrechen, wie sehr er sie hasste, wie sehr er sich selbst hasste.
Abends las sie ihm aus der Bibel vor. Sie las gern die Stellen mit den Wundern, was ihn verblüffte, wo sie doch selbst so wundersam war wie ein Blecheimer. Sie war ein schlichtes Gefäß, das Dinge tragen konnte, Teetabletts, Babys, einen Korb Äpfel für die Armen.
»Was für Äpfel?«, fragte er.
Sie hatte aufgehört zu lesen und erzählte von den Äpfeln.
»Die, die du mitgebracht hast, in Zeitungspapier gewickelt. Es wird Zeit, dass sie gegessen werden. Ich wollte sie einkochen und den Armen bringen.«
»Nein.«
»Und warum nicht?«
»Sie stammen vom Baum meines Vaters.«
»Der Baum wird wieder Früchte tragen.«
»Nein. Nie wieder.«
Seine Frau hielt einen Augenblick inne. Sie sah seine Erregung, ohne sie nachvollziehen zu können. Sie wollte etwas sagen, besann sich, nahm ihre Lupe zur Hand und fing an, die Geschichte von Lazarus vorzulesen.
Dark fragte sich, wie es wohl sein mochte, in einer Gruft zu liegen, totenstill, ohne Luft, ohne Licht, und aus weiter Ferne Stimmen zu hören.
Genau so, dachte er.
Wie kann ein Mann zu seinem eigenen Tod werden, ihn sich aussuchen, ihn annehmen, ganz allein daran schuld sein? Er hatte sich dem Leben verweigert. Gut, dann würde er wohl aus seinem Tod das Beste machen müssen.
Am nächsten Tag begann er alles aufzuschreiben. Er führte zwei Tagebücher; das erste war der zahme, gelehrte Bericht vom Leben eines Geistlichen in Schottland. Das zweite war ein wilder, zerschlissener Ordner mit losen Zetteln, unzusammenhängend, ohne Seitenzahlen, durchlöchert an den Stellen, wo sich seine Federspitze ins Papier gebohrt hatte.
Er brachte sich bei, seine Predigt zu halten und dann erst den ledernen Ordner mit den fleckigen Seiten hervorzuholen, um sein Leben aufzuschreiben. Es war kein Leben, das irgendjemand aus seiner näheren Bekanntschaft wiedererkannt hätte. Die Zeit verging, und er erkannte sich selbst nicht wieder.
Befreie mich
, schrieb er eines Nachts, nur wem?
Er wusste kaum, was er tat, als er den Entschluss fasste, mit seiner Frau zur Weltausstellung nach London zu fahren. Sie hatte keine Lust dazu, doch sie hielt es für besser, ihn nicht zu verärgern.
PÄCHTER DER SONNE
Der Mond erhellte weiß die Nacht.
Pew und ich saßen im Razorbill, das heißt im Rock and
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