Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition)
Tages sagte ich zu ihm: ›Warum lest Ihr diese Geschichte, Hochwürden?‹ Er sagte zu mir: ›Ich bin mir in meinem eigenen Leben ein Fremder geworden, Pew.‹«
»Hat er das wirklich gesagt, Pew?«
»Das hat er, Kind, so sicher, wie du und ich hier heute sitzen.«
»Du warst damals noch gar nicht auf der Welt.«
»Ach nein?«
»Und du konntest seine Bibel gar nicht sehen, weil du blind bist.«
Doch mit Logik konnte man Pew nicht kommen.
»Jemand, der sich in seinem eigenen Leben ein Fremder geworden sei, sagte er, und das Feuer loderte und die Männer saßen mit abgewandtem Rücken da wie ein Hafendamm, und draußen vor dem Haus war Nebel, ein Nebel so dicht wie Zweifel, und verschleiert war der volle Mond. Er liebte den Mond, unser guter Babel Dark. Mein öder Fels, nannte er ihn und sagte manchmal, dort wäre er glücklich, beim bleichen Pächter der Sonne.«
»Das hat er gesagt?«
»Bleicher Pächter der Sonne. Das habe ich nie vergessen.«
»Wie alt bist du, Pew?«
Pew schwieg. Er leerte seinen Rum und schwieg. Dann spülten wir behutsam dieses einzig verbliebene Glas unter dem einzig verbliebenen kalten Wasserhahn, stellten das Glas zurück auf das einzig verbliebene wurmzerfressene Brett und ließen es dort stehen, glänzend im Mondlicht, das durchs Fenster fiel, ehe wir langsam über den Kiespfad zum Leuchtturm hinuntergingen.
Die Tür war sein Körper.
Dark erwachte aus seinem schlafenden Albtraum und fand sich in seinem wachen Albtraum wieder.
Er hatte von einer Tür geträumt, die immer wieder zufiel.
Er erwachte, die Hand auf dem Bauch, und spürte mit den Fingern die Spitze seiner Erektion. Er zog die Hand unter der Decke hervor.
Es war noch früh. Er hörte, wie unten jemand einen Ofenrost sauber kratzte.
Er ließ seine Gedanken schweifen und stellte sich vor, Molly läge neben ihm. In Bristol war er immer als Erster aufgewacht; er hatte sich darin geübt, als Erster aufzuwachen, damit er den ersten Augenblick des Tages nutzen konnte, sie im Schlaf anzusehen. Er zog immer gerne die Hand unter dem warmen Laken hervor und hielt sie hinaus in die kalte Schlafzimmerluft. Dann ließ er die Hand über ihren Gesichtszügen schweben, ohne sie jemals zu berühren, um doch verwundert, immer wieder verwundert wahrzunehmen, wie er mit der kalten Hand in der Luft die Wärme spüren konnte, die von ihrem Gesicht abstrahlte.
Hin und wieder öffnete sie beim Atmen den Mund, und er fühlte ihren Atem auf sich, genau wie Adam gefühlt haben musste, wie Gott seinem schlafenden Körper Leben einhauchte.
Dabei war sie diejenige, die schlief. Er beugte sich zu ihrhinab, um sie zu küssen und sie aus ihrem kleinen Tod zu erwecken, sie mit einem Kuss zu wecken, bis sie schlaftrunken die Augen aufschlug und ihn anlächelte.
Sie lächelte ihn immer an. Das liebte er.
Und dann nahm er sie in den Arm, vergrub das Gesicht in ihrem Hals und versuchte, ihre unterschiedlichen Düfte zu identifizieren. Sie war sauber, doch roch sie nach sich selbst, nach etwas wie frischem Heu, in dem noch Blüten steckten, und nach etwas noch Grünerem, Schärferem; Nesseln im geschnittenen Heu.
Und nach Äpfeln, dachte er, nach dem weißen Fleisch und seinem Hauch von Rosa.
In ihrer Anfangszeit war er mit ihr in den Garten seines Vaters zum Apfelpflücken gegangen. Sie hatten die Leiter aufgestellt, ein Tuch über die Erde gebreitet, und er, in Hemdsärmeln, hatte angegeben, indem er immer höher geklettert war, um die zu pflücken, auf die sie zeigte, die am schwierigsten zu erwischen waren.
Sie hatten den Baum beinahe leer gepflückt, und am Nachmittag saßen sie Seite an Seite unter den Ästen und sortierten: Äpfel zum gleich essen, Äpfel zum Lagern, Äpfel für Gelee und Äpfel zum sofort Einkochen, nachdem man die braunen Stellen mit einem scharfen Messer entfernt hatte.
Er war sich ihrer so bewusst an seiner Seite, dass seine Hände beim Schälen und Aufschlitzen ein wenig zitterten. Sie bemerkte es, denn seine Hände gefielen ihr – die langen Finger, die eckigen Nägel.
Dann rutschte er mit dem Messer aus und schnitt sich in den Ringfinger, und sofort nahm sie ihm das Messer ab und schnitt einen Streifen Stoff von ihrem Kleid, um damit die Blutung zu stillen.
Sie waren ins Haus gegangen, um kaltes Wasser zu holen.Die Küche war leer. Sie wusste, was zu tun war, und hatte bald die Wunde gereinigt und verbunden.
»Mit einem Küsschen heilt’s schneller«, sagte sie und neigte den Kopf wie ein Vogel beim
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