Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
breitete
er die kratzige Decke aus, die zusammen mit seinem Schwert und dem Beutel
voller Reiseproviant am Pferd befestigt gewesen war. Auch damit das Tier neue
Kräfte sammeln konnte, hatte er sich dazu entschlossen, zu rasten. Nun lag er,
die Augen starr in den Sternenhimmel gerichtet, auf der Decke und wartete, bis
ihn endlich Anzeichen von Müdigkeit überfielen. Dabei kam ihm urplötzlich
wieder der Traum in den Sinn, bei dem ihm dieses Wesen angegriffen hatte. Wie von
einer höheren Macht gelenkt, fuhr Thalons Hand an seine Seite. Er schob sein
Oberteil ein Stück nach oben und tastete seinen Bauch nach der Narbe ab. Wie
erstarrt ließ er seine Hand auf der Haut liegen. Einige Augenblicke verharrte
er regungslos. Kaum hatte er sich aus der Starre gelöst, knöpfte er sein
Lederwams auf und zog das sich darunter befindende Hemd aus. Die
Kleidungsstücke ließ er achtlos auf den feuchten und kalten Boden fallen. An
seinen nackten Armen peitschte der Wind entlang. Er spürte, wie sich die feinen
Härchen auf der Haut aufstellten. Doch obwohl die Kälte ihn mit eisigem Griffen
umschlang, hatte Thalon nur Augen für das, was sich an seinem Oberkörper
befand. Die Narbe, die zuvor nur schwach auf seinem Körper zu sehen war, sodass
Thalon sie bereits vergessen hatte, war nun wieder deutlich erkennbar. Sie
schien gewachsen zu sein, denn die feine Linie zog sich von seiner Brust bis
hin zum Becken. Das alleine hätte er allerdings noch verkraften können,
schließlich passierten in letzter Zeit viele Dinge, die ihm eine Erklärung
schuldig geblieben waren. Was ihn so erschütterte war, dass rund um die Narbe
einige seiner Adern in einem dunklen Blau hervorstachen und durch die Haut
schimmerten. Wie Tentakeln schienen sie sich zu winden. Noch nie hatte er etwas
Derartiges gesehen oder von Vergleichbarem gehört. Die Narbe war heiß und als
er darüber fuhr, fühlte sie sich seltsam rau an, so als streiche er über einen
schroffen Felsen. Plötzlich wölbte sich die Haut und Thalon glaubte, für einen
kurzen Moment lang eine schemenhafte
Gestalt unter seiner Haut gesehen zu haben, als wachse etwas in ihm heran. „Was
zur...“, entfuhr es ihm, während unweigerlich Panik in ihm aufkam. Sein Atem
beschleunigte sich und er spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Ihm wurde
schwindelig vor Augen und er befürchtete, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen.
Er spürte einen Schmerz unter der Haut. So als ob etwas von Innen versuchte,
hinaus zu gelangen. Wie auf ein Signal wartend, ertönten nun Stimmen in seinem
Kopf. Seltsame Laute, verzerrt und unverständlich spukten in ihm herum und er
fasste sich verzweifelt an den Kopf. Seine Finger kratzten an der Kopfhaut
entlang, so als wolle er damit bezwecken, dass wieder Stille in seinem Inneren
herrschte. Mit einem Mal glaubte er, in all dem Gewirr die Stimme zu vernehmen,
die bereits zweimal zu ihm gesprochen hatte. Deutlich hob sie sich von dem
finsteren Chor ab. Wie eine sanfte Musik erlöste sie ihn von dem Stimmengewirr.
„Zeige keine Angst! Ich wache über dich, doch du musst dich beeilen! Dir bleibt
nicht mehr viel Zeit, bis es bereits zu spät ist. Sein Keim wächst bereits und
breitet sich aus, wie eine Seuche“, hauchte die Frauenstimme, ehe sie wieder
verstummte. Übelkeit überkam ihn, so als presse jemand seinen Magen zusammen. Dann
durchzog ein ruckartiger Schmerz seinen Körper, sodass er aufschrie. Als er
gerade das Bewusstsein verlor, sah er in einiger Entfernung eine geisterhafte
Gestalt in einem bläulich schimmernden Kleid stehen. Ein erneuter Schrei
entfuhr seinem Mund. Dann schreckte er hoch. Einen Moment lang wusste er nicht,
wie ihm geschah und konnte nicht sagen, ob er gerade geträumt hatte. Er musste
einfach eingeschlafen sein und erneut einen äußerst seltsamen Traum gehabt
haben, eine andere Erklärung fand er nicht. Warum träumte er in letzter Zeit
immer so sonderbar, fragte er sich und faste an seinen Bauch. Die Narbe war nun
wieder kaum zu sehen. Doch sie war da! Thalon schüttelte den Kopf, denn er
begriff nicht, was diese seltsamen Träume ihm sagen wollten, geschweige denn,
wie es möglich war, dass er überhaupt diese Verletzung besaß. Dafür spürte er
nun die unbarmherzige Kälte, die sich in seinen Körper gefressen hatte. Obwohl
er nicht, wie noch zuvor in seinem Traum, halb nackt war, fröstelte es ihn und
er zitterte am ganzen Leib. Die warmen Tage waren nun anscheinend endgültig
vorbei und Thalon deutete diese Nacht als den Einzug
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