Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
die Twerge aufgrund ihres unförmigen Körperbaus keine
Jäger und somit begann die Zeit des Hungers. Immer wieder missachteten die
wenigen verbliebenen Twerge ihr Stolzgefühl und bettelten um Nahrung bei den
Jökulsa. Doch auch deren Vorräte waren erschöpft und die wenigen Tiere, die in
dem Eis lebten, waren erlegt, sodass es an der Zeit war, dass sich das Volk auf
den Weg in ein anderes Jagdgebiet machte. Für die Twerge war dies das
Todesurteil. Sie hatten nichts zu essen und wussten, dass sie elendig sterben
würden. In ihrer Not riefen sie Oleiph ea an und baten sie, ihnen Hilfe zukommen
zu lassen. Oleiphea jedoch antwortete nicht. Nun gab es niemanden, der die heilige
Halle hüten konnte. Lange Zeit stand die Mine leer, bis ein Forscher zusammen
mit einigen Abenteurern sich zum Ziel gemacht hatte, die legendären Überreste
der Twerge zu finden. Was die Männer jedoch fanden, war ein Ort voller
Schönheit und eine Halle, in der ein prachtvolles Schwert lag. Der Forscher
beanspruchte das ganze Gebiet für sich. Einer der Abenteurer hatte allerdings
selbst darauf gehofft, den Ruhm für die Entdeckung der Ruhestätte der Twerge
ernten zu können. Von blindem Neid geleitet ermordete er den Forscher und alle
anderen Abenteurer, während sie schliefen und wollte sich mit dem Schwert und
den Notizen des Forschers aus dem Staub machen. Doch der Abenteurer wusste
nicht, dass die Geister der Twerge auch nach ihrem Tod noch immer die Halle
hüteten. Mit der Kraft der Geister, die durch sie floss, verfluchten sie den
Abenteurer. Als Strafe für seine große Eifersucht sollte er solange in der Mine
hausen, bis das Schwert Ba’Yanda wieder in die Hände eines Lichtritters fallen
würde. Nach dessen Ableben würde die Klinge zurückkehren und er solle erneut
darauf aufpassen. Vigil, die Wache, nannten sie von nun an den Abenteurer. So
gaben die Twerge die von Oleiphea auferlegte Bürde weiter und fanden ihren
ewigen Frieden. Und seitdem streife ich durch die Mine und hüte das Schwert.“
Am Ende seiner Erzählung war Vigils Stimme immer schwermütiger geworden und
zuletzt hatte er ein kurzes Schluchzen nur schwer verstecken können. Thalon
seinerseits hatte freudetrunken der Erzählung gelauscht. „Aber woher wusstet
Ihr dann, was zuvor passiert war? Und wie war es den Twergengeistern möglich,
Euch zu verfluchen?“, wollte Thalon wissen und vergaß dabei das Versprechen,
welches er Vigil gegeben hatte. „Wolltet Ihr nicht mit dem Fragen aufhören?“,
erinnerte ihn der Wächter und drehte sich dabei ein Stück zu Thalon um.
„Verzeiht, ich habe mich wie ein Kind aufgeführt, dabei sollte ich lernen,
erwachsen zu sein“, gab Thalon kleinlaut bei. Einen Moment lang schwiegen
beide. Obwohl sich Vigils Mund unter dem dichten Bart verbarg, glaubte Thalon
nun aber ein Lächeln erkennen zu können. „Wisst Ihr, dass Ihr nicht Unrecht
habt? In der ganzen langen Zeit habe ich mir beständig diese Fragen gestellt.
Ich kam zu dem Schluss, dass es nicht auf jede Frage, die man sich im Leben
stellt, eine Antwort gibt. Und das ist auch gut so. Das Leben wäre wie eine
Einöde, wenn wir auf alles eine Antwort hätten. Außerdem kann ich es verstehen,
dass es schwer für Euch sein mag, mit der Last auf Euren Schultern
zurechtzukommen. Sicher wird viel von Euch verlangt, denn schließlich seid Ihr
der Lichtritter. Aber es ist nie verkehrt, den kindlichen Geist zu bewahren und
Dinge genauer zu hinterfragen. Schließlich werdet Ihr durch Eure Aufgabe
schnell genug erwachsen sein und die Jugend kehrt nicht mehr zurück. Die Jugend
ist ein Geschenk und nichts, wofür Ihr Euch schämen braucht, Thalon“, wies ihn
Vigil väterlich zurecht. „Ihr glaubt mir also, dass ich der Lichtritter bin?“,
erkundigte sich Thalon ungläubig. Vigil nickte und nun war sich Thalon sicher,
dass der alte Mann ihn anlächelte.
Mittlerweile hatten sie die düsteren Gänge, die sich
wie lange hohle Arme durch den Berg gezogen hatten, hinter sich gelassen und
befanden sich nun vor einem beinahe kreisrunden Loch in der Wand. Eine
steinerne Treppe führte hinab. Das tanzende Licht der Laterne erhellte zwei
verrostete Äxte, die zu einem Kreuz geformt über dem Loch hingen. „Das, Thalon,
ist der Schlund der Auserwählten. Geht Ihr diese Stufen hinunter, gelangt Ihr
in die Vorhalle. Seid gewarnt, denn nicht alle Twerge haben damals ihren
Frieden gefunden“, mahnte Vigil und zeigte drohend mit dem Finger. „Wie meint
Ihr das?“, erkundigte sich Thalon
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