Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
gesehen hatte. Ihm war
es unerklärlich, wie solch übergroße Kunstwerke gefertigt werden konnten.
Überall in den, von den Ornamenten abgesehen, schroffen Steinwänden steckten
kopfgroße Steine, die wie Diamanten wirkten. Sie strahlten ein natürlich
wirkendes Licht aus, sodass es beinahe so wirkte, als scheine Tageslicht in die
Höhle hinein. Für einen Augenblick vergaß Thalon, dass er sich tief unter der
Erde befand. Am faszinierendsten war allerdings der See, der sich in einer der
Seitenhöhlen befand und um den sich zahlreiche der Pflanzen, die Thalon schon
an den Pfeilern gesehen hatte, wie zu einer Versammlung trafen. Das Quellwasser
aus dem Berg musste wohl an dieser Stelle munden und hatte dann in einem
langwierigen Prozess dieser paradiesartigen Höhle Leben eingehaucht. Denn seit
Thalon die Mine betreten hatte, waren ihm außer den Pilzen keine anderen
Vegetationen aufgefallen. Inmitten der Pflanzen standen einige Gebilde. Thalon
vermutete, dass es sich dabei um Gebäude handelte. Auf der anderen Seite der
Höhle befand sich eine weitere Erhöhung, die der glich, auf der er sich gerade
befand. Es schien der Eingang zu der besagten heiligen Halle zu sein, denn ein
tempelartiges Gebilde bestehend aus mehreren kleineren Säulen und einem
bescheidenen Dach waren an die Höhlenwand gebaut. Noch immer begeistert stieg
er die steilen und schmalen Stufen einer Treppe herunter, die von der Erhöhung,
auf der er sich befand, hinunter in das Gebiet vor ihm führte. Kaum unten
angekommen, wurde ihm die wahre Größe der Höhle bewusst. Nun fühlte er sich
winzig, wie ein unbedeutendes Staubkorn. Er bahnte sich seinen Weg von der
Treppe, die direkt an der Höhlenwand gewesen war, durch einiges Gestrüpp hin zu
einer großen Fläche, die wie eine Lichtung wirkte. Hier waren außer einigen
Wurzeln, die aus den Spalten zwischen den rissigen Steinplatten am Boden
ragten, nur wenige Pflanzen. Erst jetzt bemerkte er, dass er noch immer die
Laterne in der Hand hielt und stellte sie auf einen der umgekippten Sockel, die
verstreut auf der Lichtung lagen. Es schien so, als wären sie gefällte Figuren
aus einer Partie Königsschlacht. „Warte hier auf mich“, meinte Thalon
scherzhaft und nickte der Laterne zu, so als ob sie ihn hören könnte. Er kam
sich dabei ein wenig dümmlich vor, andererseits versuchte er so das mulmige
Gefühl loszuwerden, welches ihn trotz aller Faszination für diesen Ort im Griff
hatte, seitdem er die große Höhle betreten hatte. Denn Vigil hatte ihn
ausdrücklich vor den verlorenen Seelen gewarnt, die hier hausen sollten. Nicht
dies bereitete ihm das Gefühl, sondern vielmehr die Tatsache, dass er keine der
Seelen ausmachen konnte. Wenn das, was Vigil gesagt hatte, der Wahrheit
entsprach, dann müssten diese Seelen irgendwo auf ihn lauern. „Es ist seltsam,
dass Abwesenheit von Übel manchmal schlimmer sein kann, als ihre Anwesenheit“,
überlegte Thalon. In diesem Moment hörte er e in leises Platschen. Es kam
eindeutig aus der Richtung des Sees. Thalon wandte sich nach rechts und schlich
geduckt durch das Gras. In der Nähe des Sees befanden sich einige größere
Steine, die sich wohl im Laufe der Zeit aus der Höhlendecke gelöst hatten.
Hinter einen dieser Steine ging Thalon in Deckung. Einen Augenblick lang warf
er einen Blick aus dem Versteck heraus und beobachtete den See. Auf dem
kristallklaren Wasser waren winzige Wellen zu erkennen, so als habe jemand
gerade mit der Hand das Wasser berührt. Etwas oder jemand war dort. Thalon
konnte allerdings niemanden sehen. Zu dicht war die Pflanzenpracht und so kam
Thalon, wie von einer magischen Hand angezogen, aus seinem Versteck hervor und
schlich weiter in Richtung des Sees. Er schob ein großes Blatt behutsam zur
Seite und hatte dann freien Blick auf das Wasser. Es wirkte wie eine Fläche aus
flüssigem Kristall. Auf einmal hörte Thalon ein Kichern. „Hallo?“, rief Thalon
und betrachtete gespannt den See. Als Antwort ertönte ein erneutes Kichern.
Lachte der See ihn aus? Das war doch unmöglich. Mit einem Mal erkannte er etwas
in der Ferne. Auf der anderen Seite des Sees, die von dem Licht der seltsam
leuchtenden Steine nicht erreicht wurde und daher in einem mystisches
Halbdunkel lag, bewegte sich jemand auf ihn zu. Ungläubig ging Thalon näher an
das Wasser heran. Es schien eine junge Frau zu sein, die in dem Gewässer
schwamm. Als schließlich ihr Körper vom Licht berührt wurde, stockte dem
Lichtritter der Atem. Es war Lewia. Sie
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