Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
nach der Hälfte des Buches deutete Lewia auf eine Zeichnung, die einen
hageren Mann zeigte, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um einen Gnom
handelte, dessen Körper zu strahlen schien. In der einen Hand hielt er ein
Schwert und in der anderen Hand den Haarschopf eines abgeschlagenen
Dämonenschädels. „Hier, das könnte es sein“, sagte sie mit aufgeregter Stimme.
Anthlo begann, den Text vorzulesen: „Es folgt die Erklärung des Begriffs des
Lichtritters. Der Legende nach handelt es sich dabei um ein Wesen, welches von
Oleiphea auserwählt wurde. Seit Anbeginn der Zeit kämpft der Lichtritter gegen
den Propheten, der Diener des Sartos. Dessen Ziel ist es, eine Reinigung herbei
zu führen, welches das Antlitz der Welt grundlegend verändert. Jedes Zeitalter
brachte bisher einen Lichtritter und einen Propheten hervor. Wenig ist bekannt
über die genaueren Ursachen des Konfliktes. Tatsache ist jedoch, dass
Lichtritter und Prophet in einem Kampf aufeinander treffen werden und somit
über das weitere Schicksal von Oleiphea entschieden wird. Das Bild zeigt den
ersten Lichtritter Kenaion, wie man ihn sich als Menschen vorstellt. In der
linken Hand hält er den Kopf des Dämonen Baril, der erste Prophet, laut
Legenden die zu Fleisch gewordene Reinkarnation Sartos’. In der rechten hält er
Ba’Yanda, das Schwert der Toten, mit der er Baril das Haupt herunter schlug.“
Thalon blickte skeptisch auf die idealistische Darstellung des muskulösen und
stattlich gebauten jungen Seraphenkriegers und verglich sich innerlich mit
dieser Abbildung. „Warum sollte gerade ich ein Nachfolger dieser Legende sein?
Ich bin doch nicht in der Lage einen Propheten zu töten! Ich meine, ich weiß
doch nicht einmal, was ich zu tun habe“, sagte er trotzig, deutlich mit der
Situation überfordert. Er fühlte sich hilflos und wie ein kleines Kind. Er
hasste das Gefühl, nicht Herr der Lage zu sein. „Warum ist mein Leben
festgelegt?“, brach es schließlich aus ihm heraus. Anthlo kam näher und klopfte
ihm aufmunternd auf die Schulter. „Seit meiner Wiedererweckung habe ich mich
mit der Frage beschäftigt, ob alles was wir tun, vorherbestimmt ist. Und ich
bin letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass wir alle einen freien Willen
besitzen. Vielmehr glaube ich, dass jedes Wesen einen bestimmten Zweck hat. Wir
haben Aufgaben, die wir früher oder später erfüllen, um uns für das Leben,
welches uns gegeben wurde, zu bedanken.“ Thalon runzelte die Stirn. „Wenn ein
Prinz geboren wird, dann ist es seine Aufgabe, dass er König wird und als
solcher sein Land gut regiert. Sein Leben ist damit doch schon vorbestimmt. Wo
ist da der Unterschied zu einem unfreien Leben?“, wollte Thalon wissen und
blickte Anthlo erwartungsvoll an. Eine peinliche Stille entstand. Doch dann
fuhr Anthlo mit seiner Ausführung fort: „Eine gute Frage. Ein König hat die
Aufgabe, das Volk zu regieren. Die Aufgabe kommt von außen, nämlich vom Volk,
das möchte, dass ihr König sie gut regiert. Dadurch ergibt sich für das Volk
wiederum die Aufgabe, ihrem Gebieter Gehorsam zu leisten. Man kann es als ein
Geben und Nehmen ansehen. Es ist die soziale Verträglichkeit, die den Anschein
erwecken lässt, dass wir bestimmt werden, da sie meist die gegebene Bestimmung
festsetzt. In manchen Fällen mag die Bestimmung durch die Gesellschaft
dominieren, aber das schließt einen freien Willen noch lange nicht aus. Es heißt
lediglich, dass sich die Person entweder dazu entschlossen hat, die gegebene
Aufgabe zu erfüllen oder dass die eigene Aufgabe der gegebenen Aufgabe gleicht“
Thalon dachte nach. Er musste Anthlo recht geben. Dieser seinerseits nahm eines
der Bücher aus dem Regal und hob es hoch. „Buch, falle hinunter!“, befahl
Anthlo, dann ließ er es auf den Tisch fallen. „Die Aufgabe des Buches war es in
diesem Fall, herunterzufallen. Hätte es die Möglichkeit gehabt, nicht
herunterzufallen?“, fragte Anthlo spitz. „Nein, die hatte es nicht, denn es
folgt logischen Gesetzen und fällt, sobald man es loslässt, konnte also nicht
anders, als der gegebenen Bestimmung zu gehorchen“, antwortete Lewia für
Thalon. „Richtig! Demzufolge hat das Buch keinen freien Willen, da es sich dem
nicht widersetzen konnte. Wir Menschen allerdings haben den freien Willen, uns
einer Pflicht zu widersetzen, sie auf unsere Art zu lösen oder gar einen
persönlichen Wunsch ihr vorziehen. Wenn ich dir auftrage, im Kreis zu laufen
wirst du sicherlich sitzen bleiben, weil
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