Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
zu streicheln, seine Hand offenbar angezogen von dem dicken, weichen Fell. »Guter Gott, ich kann mich nicht an sein Gesicht erinnern! Aber an die Stimme. Diese Stimme! Sergeant, der Mann, mit dem Sie gesprochen haben, der Mann, der versucht hat, die Hunde zu streicheln, ist der Schreiber dieser Briefe.«
»Ich kann mich einfach nicht an ihn erinnern, Sir.«
»Macht nichts, es müßte ein leichtes sein, ihn jetzt ausfindig zu machen.«
Aber das war es nicht.
Wexford ging erst zu Mr. Crantock, dem Mann von Gemma Lawrences Nachbarin, der Hauptkassierer in der Kingsmarkhamer Filiale von Lloyds Bank war. Er war sicher, daß dieser Mann jedes Mitglied der Suchtrupps vom Sehen, wenn nicht gar beim Namen kannte. Doch Wexford mußte enttäuscht zur Kenntnis nehmen, daß nicht alle Männer sich aus den drei Straßen Fontaine Road, Wincanton Road und Chiltern Avenue rekrutiert hatten.
»Da waren einige dabei, die ich nie vorher gesehen hatte«, sagte Crantock. »Der Himmel weiß, wo sie herkamen, oder wie sie zu dem frühen Zeitpunkt überhaupt wußten, daß das Kind vermißt wurde. Aber wir waren froh über jeden, der mitging, oder? Ich erinnere mich, daß sogar einer mit dem Fahrrad da war.«
»Nachrichten solcher Art verbreiten sich rasch«, sagte Wexford. »Wie das vonstatten geht, ist mir rätselhaft, aber die Leute erfahren davon, bevor es noch über Rundfunk oder Fernsehen geht.«
»Sie könnten es mal bei Dr. Lomax versuchen. Er hat eine der Gruppen geführt, bis er zu einem Patienten gerufen wurde und zurück mußte. Ärzte kennen doch immer alle Welt, nicht?«
Der Mann, der Gemma Lawrence die Schlaftabletten gegeben hatte, praktizierte im eigenen Haus, einem in viktorianischer Gotik erbauten Gebäude von erheblichen Ausmaßen, das seine Nachbarn in der Chiltern Avenue überragte. Wexford kam gerade rechtzeitig zum Ende der Nachmittagssprechstunde.
Lomax war ein geschäftiger, abgehetzter, kleiner Mann mit schriller Stimme, aber es war nicht die Art von schrill, nach der Wexford suchte, und außerdem hatte der Doktor einen ganz leichten schottischen Akzent. Es sah aus, als könne auch er nicht viel weiterhelfen.
»Mr. Crantock, Mr. Rushworth, Mr. Dean...« Er nannte eine lange Reihe von Namen, zählte sie an den Fingern ab, obgleich Wexford nicht wußte, was das für einen Sinn haben sollte, da keiner die Suchtrupps gezählt hatte. Lomax schien jedoch, als er das Ende seiner Liste erreicht hatte, sicher zu sein, daß drei Fremde dabeigewesen waren, einer davon der Mann auf dem Fahrrad.
»Wie sie überhaupt davon wissen konnten, verblüfft mich«, sagte er genau wie Crantock. »Ich selbst wußte es nur, weil meine Frau mir während der Sprechstunde davon erzählte. Sie arbeitet als meine Sprechstundenhilfe, wissen Sie, und hörte jemanden auf der Straße eine Bemerkung machen, als sie draußen einer älteren Patientin aus dem Auto half. Sie kam gleich zu mir und sagte es mir, und als mein letzter Patient gegangen war, bin ich raus, um zu sehen, was ich tun konnte, und sah all Ihre Wagen stehen.«
»Wann war das ungefähr?«
»Als meine Frau es mir erzählt hat oder als ich rausgegangen bin? Letzteres war kurz nach sechs, aber erfahren habe ich es zwanzig nach fünf. Ich bin da so sicher, weil die alte Dame, der meine Frau aus dem Auto geholfen hat, jeden Donnerstag Punkt zwanzig nach fünf erscheint. Wieso?«
»Waren Sie allein, als Ihre Frau es Ihnen sagte?«
»Nein, natürlich nicht, ein Patient war bei mir.«
Wexfords Interesse wuchs. »Hat Ihre Frau es Ihnen ins Ohr geflüstert? Oder konnte Ihr Patient mithören?«
»Sie hat es laut gesagt«, erwiderte Lomax ziemlich steif. »Warum auch nicht? Ich sagte ja, daß sie als meine Sprechstundenhilfe fungiert.«
»Sie werden sich natürlich erinnern, wer der Patient war, Doktor?«
»So natürlich ist das nicht. Ich habe sehr viele Patienten.« Lomax überlegte schweigend ein paar Sekunden. »Es war nicht Mrs. Ross, die alte Dame, sie saß noch im Wartezimmer. Es muß entweder Mrs. Foster oder Miss Garrett gewesen sein. Meine Frau wird es wissen, sie hat ein besseres Gedächtnis als ich.«
Mrs. Lomax wurde hereingerufen.
»Es war Mrs. Foster. Sie hat selbst vier Kinder, und ich weiß noch, daß sie sehr betroffen war.«
»Aber ihr Mann war nicht bei dem Suchtrupp«, sagte Lomax, der jetzt in der gleichen Richtung zu überlegen schien wie Wexford. »Ich kenne ihn nicht, er gehört nicht zu meinen Patienten, aber er hätte auch gar nicht mitgehen
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