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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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doch der Mann zahlte eine so geringe Miete, daß er nicht den Mut hatte, sich zu beschweren.
    Immerhin wußte Wexford jetzt, wer der Junge war, der an jenem Nachmittag im Februar beim Verlassen des Cottage beobachtet worden war. Es war ganz ohne Zweifel Paul Rushworth gewesen.
    Der Tag war trübe und bewölkt gewesen, und nun brach der Abend herein, obwohl es noch nicht fünf war. Wexford spürte die ersten Regentropfen. An ebensolch einem Tag und um ungefähr die gleiche Zeit war Stella die Straße entlanggegangen, der er jetzt folgte, vielleicht hatte sie ihre Schritte beschleunigt und gewünscht, sie hätte etwas mehr als nur das dünne Reitjackett zum Schutz. Oder war sie gar nicht so weit Richtung Stowerton gekommen? Hatte ihr Weg - und ihr Leben - womöglich bei dem Häuschen geendet, das er soeben verlassen hatte?
    Er hatte sich so intensiv in Stella hineingedacht, seinen eigenen, alternden, kräftigen Männerkörper in Gedanken in die leichte Gestalt eines zwölfjährigen Mädchens verwandelt, daß er bei dem Geräusch auf den grasigen Rand der Straße trat und hoffnungsvoll lauschte.
    Das Geräusch stammte von Pferdehufen. Ein Reiter kam um die Biegung getrabt. Es war Stella, nicht der alte Reg Wexford, allein und ein bißchen ängstlich, und es fing gerade an zu regnen, aber da kam Swan... Zu Pferd? Ein Pferd für zwei Leute? Warum nicht im Auto?
    Pferd und Reiter kamen in Sicht. Wexford schüttelte sich und war wieder er selbst. Er rief: »Guten Abend, Mrs. Fenn.«
    Die Reitlehrerin zügelte den großen Grauen. »Ist er nicht wunderschön?« sagte sie. »Ich wünschte, es wäre meiner, aber ich muß ihn Mrs. Williams ins ‘Equita’ zurückbringen. Wir hatten so einen schönen Nachmittag draußen, nicht wahr, Silver?« Sie klopfte den Hals des Tieres. »Sie haben noch niemanden - äh - festgenommen, oder? Den Mann, der die arme Stella Swan auf dem Gewissen hat?«
    Wexford schüttelte den Kopf.
    »Stella Rivers, meine ich. Ich weiß gar nicht, weshalb ich das immer durcheinanderbringe. Schließlich habe ich selbst zwei Namen. Ein Teil meiner Freunde nennt mich Margaret, die anderen beim zweiten Namen. Da sollte ich mir so was wirklich merken können. Muß am Alter liegen.«
    Wexford war nicht nach Galanterie zumute, und so fragte er einfach nur, ob sie Rushworth je auf dem Gelände von Saltram House gesehen habe.
    »Bob Rushworth? Jetzt, wo Sie mich fragen, fällt mir ein, daß seine Frau und er letzten Winter häufig hier oben waren, und sie hat mich tatsächlich gefragt, ob ich meine, jemand könne was dagegen haben, wenn sie eine der Statuen mitnehmen. Die eine, die im Gras lag, wissen Sie.«
    »Darüber haben Sie vorher nie etwas gesagt.«
    »Na, bestimmt nicht«, meinte Mrs. Fenn und beugte sich vor, um dem Pferd beruhigend ins Ohr zu flüstern. »Ich kenne doch die Rushworths seit Jahren. Paul sagt Tantchen zu mir. Ich nehme an, sie wollten die Statue für ihren Garten. ‘Es steht mir nicht an, zu entscheiden, ob ihr sie haben könnt oder nicht’, sagte ich ihnen.« Sie setzte sich bequemer im Sattel zurecht. »Wenn Sie mich entschuldigen wollen, ich muß weiter. Silver ist ein hochgezüchteter Vollblüter und wird nervös, wenn es dunkel wird.« Das Pferd hob den Kopf und ließ ein lautes, zustimmendes Wiehern hören. »Schon gut, mein Schatz«, sagte Mrs. Fenn. “Wir sind bald bei Muttern zu Haus.«
    Wexford ging weiter. Der Regen fiel dünn, aber stetig. Er kam an Saltram Lodge vorbei und dann zu jenem Teil der Straße, wo die Bäume am dichtesten standen. Nach zweioder dreihundert Metern wurde es wieder lichter, und der vielgerühmte Blick auf das große Haus kam in Sicht.
    Die Parklandschaft lag grau in grau, und das Haus selbst wirkte wie ein schwarzes Skelett mit leeren Augenhöhlen, wie es da aus dem Dunst ragte. Wexford war froh, daß er den Ort nie gekannt oder ihn häufig besucht hatte. Für ihn war es ein Friedhof geworden.

20
    Er hatte sich nicht überwinden können, ein Doppelzimmer für Mr. und Mrs. Burden zu nehmen. Eines Tages würde Gemma Mrs. Burden sein, und dann war alles anders. Bis dahin gehörte der Name Jean. Jean hielt den Titel wie ein Meister, dem die Ehre auch durch den Tod nicht genommen werden kann.
    Ihr Hotel war der ehemalige Dorf-Pub von Eastover, der nach dem Krieg ausgebaut und erweitert worden war und nun ein halbes Dutzend Gäste beherbergen konnte. Ihre Zimmer lagen nebeneinander, beide mit Blick aufs weite, graue Meer. Es war zu kalt zum Baden, doch an

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