Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
mir aber, Mrs. Cantrip«, sagte Elizabeth.
Sean hob den Kopf. »Man sieht schon auf den ersten Blick, daß Sie nicht zu diesen Spießern gehören.«
»So spricht man doch nicht mit der gnädigen Frau!« erwiderte Mrs. Cantrip schockiert.
“Ich fasse es als großes Kompliment auf«, sagte Elizabeth.
Sean errötete erfreut und lächelte sein Honigkuchenpferdlächeln, wobei ebenmäßige weiße Zähne zwischen den roten Lippen zum Vorschein kamen. Durch die Ermutigung seiner Arbeitgeberin beflügelt, musterte er erst Mrs. Cantrip, dann Will Palmer. Nelleke kicherte, doch ihr schenkte er keine Beachtung. »Ihr alten Knacker seid doch alle gleich«, sagte er. »Bewegt euch immer im selben Trott.«
»Dein Trott ist die Gartenarbeit, merk dir das. Aus dir wird nie ein Sänger.«
»Und weshalb bitte nicht?« Doch Seans aggressive Stimmung war in Hoffnungslosigkeit umgeschlagen. “Ich muß die Sache jetzt in die Hand nehmen, ich darf es nicht mehr länger aufschieben. Die Zeit vergeht, habe ich neulich zu meiner Alten gesagt, nächsten April werde ich dreiundzwanzig. Was wäre denn, wenn die Beatles erst mit dreiundzwanzig angefangen hätten?«
»Was dann wäre?« sagte Mrs. Cantrip. »Ein wenig mehr Ruhe und Frieden gäbe es auf der Welt, weiter nichts.«
»Laß dich davon nicht aus dem Konzept bringen, Sean«, tröstete ihn Elizabeth und lächelte freundlich. »Du weißt, was ich versprochen habe. Ich werde es nicht vergessen.« Sean nickte eifrig und warf Elizabeth einen hingerissenen Blick zu. »Was ich sagen wollte, Will, Mr. Nightingale hat da einen Anzug, den er nicht mehr braucht und der dir passen könnte. Und weil ich gerade in Spendierlaune bin, habe ich ein Päckchen für deine Mutter gepackt, Nelleke. Ein paar von den Keksen, die sie in Holland nicht kaufen kann. Es liegt auf dem Garderobentisch neben einem Päckchen von mir. Könntest du sie vielleicht zur Post bringen?«
»Die gnädige Frau«, sagte Mrs. Cantrip, als Elizabeth gegangen war, »ist ein Engel. Ein Jammer, daß es nicht mehr von ihrer Sorte gibt.«
Nelleke kicherte.
Der Nebel hatte sich gehoben, und Licht strömte in die Zimmer von Myfleet Manor - heller spätsommerlicher Sonnenschein, der die kleinste Spur von Staub sichtbar macht. Doch da war kein Staub; Mrs. Cantrip und Nelleke hatten ganze Arbeit geleistet. Elizabeth ging über die dicken, weichen sonnenüberfluteten Teppiche von Zimmer zu Zimmer, sah nach, ob die Blumen in den Kupferkannen und chinesischen Porzellanvasen noch nicht verblüht waren, und zog in manchen Räumen die Vorhänge vor, um den alten empfindlichen Satin vor der Sonne zu schützen. Vom Fenster ihres Schlafzimmers aus beobachtete sie, wie Nelleke mit den beiden Päckchen in den plumpen rosa Händen, dem nach Holland und dem nach London, die Dorfstraße Myfleets überquerte. Elizabeth seufzte. Fast alle ihre Freunde oder Bediensteten hätten angenommen, sie seufze, weil Nelleke beide Gartentore - schmiedeeiserne Tore, deren Muster geflügelte Drachen mit nach oben gereckten Schnauzen zeigte, die sich am Schloß hätten berühren müssen - sperrangelweit offen gelassen hatte. Auf dem gleißend weißen Straßenbelag zuckte Nellekes schwarzer Schatten lebhaft hin und her, von den Ausbuchtungen der beiden Päckchen leicht entstellt.
Elizabeth ging nach unten und schloß die Gartentore. Sie stieg in den Lotus, mit dem sie zunächst nach Queens Waterford fuhr, um mit Lady Larkin-Smith die Vorbereitungen zum Tanzabend des Country Clubs zu besprechen, dann nach Pomfret, wo sie sich von Mrs. Rogers den Erlös der Sammlung für die Krebshilfe aushändigen ließ, und schließlich nach Kingsmarkham zum Friseur. Die Wagenfenster hatte sie ganz heruntergekurbelt, das Verdeck zurückgeschlagen, und ihr blondes Haar wehte im Fahrtwind wie das weiche Haar eines jungen Mädchens.
Um dreizehn Uhr dreißig servierte Mrs. Cantrip im Eβzimmer das Mittagessen. Nellekes Stellung berechtigte sie, die Mahlzeiten im Kreis der Familie einzunehmen, doch in Abwesenheit Quentin Nightingales sprach sie nur wenig. Die Frau und das Mädchen verzehrten den Spargel mit Schinken und die Brombeertörtchen wortlos, nur Elizabeth brach von Zeit zu Zeit das Schweigen, um genüßlich das Essen zu loben. Als sie beim Nachtisch angelangt waren, sagte Nelleke, Dampfnudeln wären ihr lieber gewesen.
»Da mußt du Mrs. Cantrip zeigen, wie man die macht.«
»Vielleicht würde ich es ihr heute nachmittag zeigen«, sagte Nelleke, die Schwierigkeiten mit
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