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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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hat sie gesagt, ‘daß zwei Menschen ganz allein in diesem Riesenschuppen wohnen. Man sollte eine Nervenklinik daraus machen.’ Den armen Quen hätte fast der Schlag getroffen. Sein geliebtes Haus! Aber das war typisch June. Sie hatte Soziologie studiert und als so eine Art Bewährungshelferin gearbeitet.
    Sie und Denys hatten eine furchtbare Wohnung über der Tierhandlung in der Quen Street. Du weißt ja, wo ich meine. Ich war nur einmal dort, das reicht mir fürs Leben. Der Gestank von verwesendem Pferdefleisch, vielen Dank, und überall hockten Junes komische Freunde herum. Abends trafen die sich dort immer scharenweise, bierernst und fest entschlossen, die Welt in Ordnung zu bringen. Schluß mit dem Atomtod war damals das Neueste, du weißt schon, und June pflegte in ihrer Wohnung Versammlungen darüber abzuhalten, darüber und über die Hungerhilfe, bevor die Hungerhilfe überhaupt in Mode kam. June war so eine richtige Berufsdemonstrantin. Wenn es mal wieder Krawall auf dem Grosvenor Square gibt, sehe ich mir immer die Zeitungsfotos ganz genau an, denn irgendwann, da bin ich hundertprozentig sicher, werde ich auf ihr Gesicht stoßen.«
    »Sie ist also nicht gestorben?« fragte Wexford, als sie auf die High Street einbogen.
    »Lieber Himmel, nein. Denys hat sich von ihr scheiden lassen - oder sie sich von Denys. Wer von wem, weiß ich nicht mehr. Weshalb sie überhaupt geheiratet haben, ist mir ein Rätsel. Sie hatten weiß Gott nichts gemeinsam. Sie konnte Quen und Elizabeth nicht leiden und sah es gar nicht gern, daß Denys so oft ins Herrenhaus ging. Sich reaktionären Elementen anschloß, so nannte sie es.«
    »Wenn er seine Schwester nicht mochte, warum ist er dann so oft hingegangen?«
    »Ganz einfach deshalb, weil er und Quen von Anfang an hervorragend miteinander auskamen«, sagte Marriott, als Wexford die Straßenmitte ansteuerte, um rechts abzubiegen. »Quen war Feuer und Flamme, als er erfuhr, daß er einen vielversprechenden Schriftsteller zum Schwager hatte, und er betrachtete sich wohl als sein Mäzen.« Gemächlich rollte der Wagen die Gasse entlang, bis Wexford vor dem weißen, mit Blumen geschmückten Haus anhielt. »Jedenfalls muß sich Denys irgendwann einmal bei ihm beklagt haben, daß er in seiner häuslichen Umgebung unmöglich arbeiten könne, und Quen machte ihm den Vorschlag, im ‘Old House’ zu schreiben. Laß uns ins Haus gehen, Reg, ich komme um vor Durst.«
    In den Zimmern, wo die Party stattgefunden hatte, roch es noch stark nach Zigarrenrauch. Jemand hatte aufgeräumt und den Abwasch erledigt. Vermutlich Hypatia, dachte Wexford, während Marriott sämtliche Fenster aufriß.
    »Schön, Reg, die Cocktailstunde ist angebrochen, wie man so sagt. Es ist vielleicht noch ein bißchen früh, aber auf dem Land findet alles ein bißchen früher statt, nicht wahr? Was soll’s denn sein? Whisky? Gin?«
    »Eine Tasse Tee wäre mir lieber«, sagte Wexford.
    »Ernsthaft? Wie merkwürdig. In Ordnung, ich setze den Kessel auf. Ich muß schon sagen, Hypatia hat hier sehr gewissenhaft aufgeräumt. Ich darf nicht vergessen, das zu erwähnen, wenn ich sie mal wieder sehe.«
    Wexford ging hinter ihm in die Küche. »Sie wohnt also nicht hier?«
    »O nein. Das wäre mir gar nicht recht.« Marriott rümpfte verächtlich die Nase. »Wenn sie einem erst mal auf der Pelle sitzen, ist man nicht mehr sein eigener Herr.« Er warf Wexford einen verschlagenen Seitenblick zu. »Vielfalt statt Einfalt ist meine Devise.«
    Wexford lachte. »Du bist wohl ein richtiger Schürzenjäger, Lionel?«
    »Man hat so seine Erfolge«, erwiderte Marriott bescheiden. Er gab drei Löffel Earl Grey in die Teekanne und schüttete behutsam das kochende Wasser darüber. »Soll ich mit der Geschichte fortfahren?«
    »Bitte.«
    »Wie ich schon sagte, war es June gar nicht recht, daß Denys im Herrenhaus arbeitete. Die meisten Abende verbrachte er nämlich ohnehin dort und schwatzte mit Quen, und in den Ferien ging er nun tagtäglich zum Arbeiten hin. Sie fand, er sollte mehr mit ihr unternehmen, also Transparente schwenken und Sprüche an Hausmauern pinseln. Deshalb hat sie ihm den Laufpaß gegeben.«
    »Und ihn seiner ménage ä trois überlassen?«
    »Wenn man so sagen will. Ein Dreiecksverhältnis war zwar zweifellos vorhanden, aber es war kein gleichschenkliges Dreieck. Der armen Elizabeth fiel die Rolle des spitzen Winkels zu. Ich war stets aufs neue davon fasziniert, wenn ich dort zu Besuch war, wie Denys und Quen völlig

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