Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
sagte. Ich bezweifle, ob es überhaupt von Zeugen unterschrieben wurde.«
»Zumindest von einem Zeugen«, sagte Wexford. »Lionel Marriott.«
Quentin blickte auf, und in seinem Blick lag echte Überraschung.
»Mr. Nightingale, ich kann dies nicht einfach auf sich beruhen lassen. Was ist aus diesem Blatt geworden, auf das Ihre Frau etwas ‘gekritzelt’ hat?«
»Sie hat es mir gegeben und mich gebeten, es in meinen Safe zu schließen.«
»Und?«
»Na, das habe ich getan. Elizabeth hat in ihrer Gegenwart darauf bestanden. Ach, es war wirklich nur Unfug, aber ich wollte sie nicht aufregen.«
»Liegt es dort noch?«
»Ich nehme an«, erklärte Quentin erstaunt. “Ich sagte ja bereits, daß ich es ganz vergessen hatte, und vermutlich hat auch Elizabeth nicht mehr daran gedacht, als wir heil und gesund zurückkamen.«
»Ich muß Sie leider bitten, den Safe jetzt zu öffnen, wenn es Ihnen recht ist, Sir«, sagte Wexford in bedeutungsschwerem Ton.
Quentin nahm ein kleines Ölgemälde- einen Stubbs, auf dem eine zweispännige Phaeton-Kutsche dargestellt war - von der Wand des Arbeitszimmers und sah Wexford dabei an, als habe er es mit einem Verrückten zu tun, den es bei Laune zu halten galt. Hinter dem Bild befand sich eine in die Wand eingebaute Stahltür. Im Flüsterton murmelte Quentin die Kombination vor sich hin und öffnete die Tür, hinter der eine Öffnung vom Format einer großen Keksdose zum Vorschein kam. Der Safe enthielt einen ordentlich aufgeschichteten Stapel Papiere, die Wexford für Aktienzertifikate und persönliche Dokumente hielt, sowie mehrere lederne Schmuckschatullen. Quentin holte einen kleinen Stapel der Papiere hervor. Er blätterte sie durch und hielt Wexford dann mit immer noch belustigter und spöttischer Miene einen langen braunen Umschlag entgegen.
“Da ist es drin«, sagte er.
»Darf ich?« Wexfords Ton duldete keinen Widerspruch. Er schlitzte den Umschlag auf und zog ein Blatt teures blaues Briefpapier mit der aufgedruckten Adresse des Herrenhauses hervor. Das Papier bedeckte eine kühne, ziemlich männlich wirkende Handschrift. Wexford drehte das Blatt um, warf einen Blick auf den unteren Teil der Rückseite und sagte mit dienstlicher Stimme: »Das Testament ist vollkommen rechtskräftig, Sir, nicht weniger gültig und verbindlich, als wenn es auf einem Testamentsvordruck oder in Gegenwart eines Anwalts aufgesetzt worden wäre.«
»Du lieber Himmel!« Quentin ließ die Safetür offenstehen und setzte sich.
»Als Zeugen haben - Augenblick - Myrtle Annie Cantrip und Lionel Hepburn Marriott fungiert, und Ihre Frau hat korrekt unterzeichnet. Sollten Sie versuchen, es anzufechten, würden Sie sich eine Menge Ärger einhandeln.«
»Ich will es doch gar nicht anfechten.«
»Sie sollten es vielleicht lieber erst einmal lesen, ehe Sie sich festlegen, Mr. Nightingale.«
»Was steht drin?« Das Lächeln war von Quentins Gesicht verschwunden, er wirkte nun völlig verwirrt. »Würden Sie es mir bitte vorlesen, Mr. Wexford?«
»Wie Sie wollen.« Endlich nahm auch Wexford Platz. Er räusperte sich und las mit monoton ausdrucksloser Stimme:
»>Ich, Elizabeth Frances Nightingale, geb. Villiers, setze hiermit im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte nachfolgendes Testament auf. Dies ist mein letzter Wille und hebt alle früheren von mir getroffenen letztwilligen Verfügungen auf.« < An dieser Stelle hatten Mrs. Nightingale offenbar ihre Kenntnisse der Rechtssprache verlassen, denn sie schrieb in ungezwungenerem Stil weiter, der allerdings mit einigen Brocken Amtschinesisch durchsetzt war. »>Mein gesamtes Vermögen, einschließlich der Gelder, diemein Gatte für mich angelegt hat, vermache ich Sean Arthur Lovell, wohnhaft in 2 Church Cottages, Myfleet, Grafschaft Sussex, in der Hoffnung, er möge es zur Förderung seiner beruflichen Pläne verwenden ... <«
»Lieber Himmel!« sagte Quentin. »Lieber Himmel!«
»>... und meiner Schwägerin, Georgina Villiers, wohnhaft in 55 Kingsmarkham Road, Clusterwell I ...<« An dieser Stelle hielt Wexford inne und zog die Augenbrauen hoch. »>...meinen gesamten Besitz an persönlichem Schmuck, damit sie ihrer Lust am schönen Schein frönen kann, wenn ihr Wert als tugendhafte Frau auch mit Edelsteinen nicht aufzuwiegen ist.,«
»Das hat Elizabeth geschrieben?« fragte Quentin mit hohler Stimme.
»Ja, Sir.«
Sie waren zwar beide überrascht, dachte Wexford bei sich, aber wahrscheinlich jeder aus anderen Gründen. Was ihn betraf, so
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