Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
verblüffte ihn, daß die von ihrem Bruder als frivol und hohlköpfig eingestufte Frau den Verstand und die Findigkeit besessen hatte, dieses Testament aufzusetzen und ihm eine solch versteckte Boshaftigkeit zu verleihen. Quentins Verwunderung rührte vielleicht nur von dieser unvermuteten Boshaftigkeit her. Er war bleich geworden.
»Ist das alles?« fragte er.
»Ja, das ist alles. Wieviel Geld hinterläßt Ihre Frau, Sir?«
»Oh, das ist nicht der Rede wert.« Quentin rang sich ein Lachen ab. »Um die Wahrheit zu sagen, ihr Privatkonto war sogar überzogen. Es handelt sich praktisch um dreihundert Pfund, die ich vor Jahren für sie angelegt habe.«
»Hmhm. Die werden Sie dem jungen Lovell sicherlich nicht mißgönnen. Beunruhigt Sie etwas, Sir?«
»Eigentlich nicht, nur...«
»Mrs. Villiers«, sagte Wexford nachdenklich, »scheint eine Dame zu sein, die gern Schmuck trägt, wie Ihre Frau - äh, anklingen ließ. Wollen wir hoffen, daß ein paar schöne Stücke für sie dabei sind.«
»Ein paar schöne Stücke!« Quentin sprang unvermittelt auf. »Der Schmuck meiner Frau ist in diesen Schatullen.« Er streckte die Hände in den Safe. »Über den Daumen gepeilt, würde ich seinen Wert mit dreißigtausend Pfund veranschlagen.«
Wexford hatte schon zu viele Edelsteine gesehen, um von dieser kleinen, aber erlesenen Kollektion geblendet zu werden. Doch er war ohnehin nicht leicht aus der Fassung zu bringen, und so blieb seine Miene gelassen und eine Spur verschlossen, während er Quentin beim Öffnen der drei Schatullen zusah.
Eine Schatulle war aus weißem Leder, eine aus grünem und die dritte aus mit Onyx eingelegtem Teakholz. Quentin hatte sie auf den Schreibtisch gestellt, und als er die Deckel aufklappte, kamen noch weitere Kästchen zum Vorschein: winzige Schächtelchen für Ringe und Ohrgehänge, längliche Etuis für Armbänder und Halsketten.
Quentin nahm einen der Ringe heraus, einen in Platin gefaßten Brillanten, und hielt ihn ins Licht.
»Das war ihr Verlobungsring. Manchmal trug sie ihn, wenn...«, mit heiser werdender Stimme beendete er den Satz: »...ich sie ausdrücklich darum bat.« Er blickte zu Wexford. »Vielleicht kann ich ihn Georgina abkaufen.«
“Mochte Ihre Frau sie?« »Ich weiß nicht«, sagte Quentin ratlos und steckte den Ring wieder in das Samtkissen. »Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht. Anscheinend schon... Andererseits aber auch wieder nicht, oder? Man kann nicht jemanden mögen und dann eine so gemeine Bemerkung über ihn machen. Ich begreife das nicht.«
»Wie wir wissen, empfand Mrs. Nightingale eine heftige Abneigung gegen ihren Bruder. Vielleicht schloß diese Abneigung auch seine Frau ein.«
Quentin klappte das Ringkästchen zu. Bedächtig sagte er: »Anscheinend kursiert das Gerücht, meine Frau und ihr Bruder hätten auf Kriegsfuß miteinander gestanden.«
Wexford zog die Augenbrauen nach oben. »Stimmt es denn nicht?«
»Es klingt für einen Ehemann sicher merkwürdig, wenn ich das sage, aber ich weiß es wirklich nicht. Denys hat mir gegenüber niemals ein schlechtes Wort über sie verlauten lassen, und was Elizabeth betrifft... Nun, sie hat ihn nie davon abzuhalten versucht, uns besuchen zu kommen, wenn es auch wahr ist, daß sie mir gegenüber manchmal ziemlich gehässig über ihn sprach. Dabei müssen Sie aber wissen, daß ich sie öfters dabei ertappte, wie sie ihm - nun, fast mitfühlende Blicke zuwarf, wenn wir zu dritt waren. Irgendwelche Anzeichen von echtem Haß sind mir nie aufgefallen.«
»Vielleicht sind Sie nicht der Typ, der sehr sensibel auf anderer Leute Beweggründe und Gefühle reagiert.«
»Nein, wohl kaum«, erwiderte Quentin traurig. »Sonst hätte ich gemerkt, daß Elizabeth nicht gern mit Georgina zusammen war, und mir... mir wäre aufgefallen, daß sie nachts heimlich in den Wald ging. Nein, ich schätze, zwischen Elizabeth und Denys bestand eine natürliche Abneigung, ich war nur zu blind, es zu sehen. Vielleicht wollte ich es gar nicht sehen.« Er sprach nun leise und ein wenig verlegen. »Wenn man mehrere Menschen sehr gern hat, will man, daß sie sich auch untereinander gut verstehen, und mit der Zeit redet man sich das eben ein. Mir ist die Vorstellung ein Greuel, irgendwelche Klatschmäuler könnten behaupten, es habe böses Blut zwischen ihnen gegeben.«
Ein kurzes Schweigen trat ein, dann sagte Wexford: »Kommen wir noch einmal auf das Testament zurück, Sir. Offensichtlich haben Sie von der Freundschaft Ihrer
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