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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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auf keine Diskussion mit ihm ein, sondern fuhr fort: »Rund um das Loch wuchsen jedenfalls diese Pilze. Austernpilze heißen die, Sir, weil ihr Schirm wie eine Auster aussieht. Kein Armeleuteessen, gebraten schmecken die köstlich, das können Sie mir glauben.«
    »Geschmort. »
    »Geschmort auch, Alf«, sagte Palmer versöhnlicher. »Kurz und gut, ich hab die Hand in das Loch gesteckt und das da gefunden, was in der Tüte ist.«
    »In der Tüte? Oder haben Sie den Schal dort hineingetan?«
    »Er war in keiner Tüte, Sir. Bloß so zusammengelegt und in das Loch gestopft.«
    »Haben Sie ihn schon mal gesehen?«
    »Natürlich«, schaltete sich Mrs. Cantrip ein. »Er gehörte der armen Mrs. Nightingale. Sie trug ihn immer so als Kopftuch, wenn sie spazierenging.« Sie beugte sich über den Schal und wich erschreckt zurück. »Ist das ihr Blut, Sir?«
    »Ich fürchte, ja.«
    Sean Lovell sprang auf. »Mir wird schlecht!« rief er. Mrs. Cantrip bewegte sich schneller, als Burden bei einer Frau ihres Alters für möglich gehalten hätte, und riß die Tür zum Garten auf.
    »O nein, nicht in meiner Küche!«
    Mit der gleichmütigen Griesgrämigkeit des englischen Bauern verfolgten der alte Gärtner und der Wildbretlieferant, wie er hinaustorkelte, und lauschten dann mit angeregterem, aber immer noch teilnahmslosem Interesse auf die Würgegeräusche. Der bislang einsilbige Alf hob zu einer für seine Verhältnisse langen Rede an:
    »Altes Familienleiden - keinen Mumm in den Knochen.« Er lachte. »Möchte so’n Popsänger werden. Übergeschnappt, wenn Sie mich fragen.«
    Mrs. Cantrip räumte seine Tasse ab und stellte sie in die Spülmaschine. Als der Mann keine Anstalten zum Gehen machte, wurde sie deutlicher. »Schönen Abend auch noch, Alf. Eier brauchen wir übrigens erst wieder Montag.«
     
    Nachdem sie das Herrenhaus durch die Vorder- beziehungsweise Hintertür verlassen hatten, begegneten sich Wexford und Burden auf der Dorfstraße. Sie tauschten ihre neuesten Erkenntnisse aus und wollten sich gerade auf eine ihrer üblichen erbitterten, aber nützlichen Diskussionen einlassen, als Mrs. Cantrip, ganz außer Atem vom Laufen, sie einholte.
    »O Sir«, sagte sie zu Burden, »da bin ich aber froh, daß ich Sie noch erwischt habe. Ich muß mich fast dafür entschuldigen, wie die beiden sich aufgeführt haben, der alte Will und dieser Alf. Will ist so geschwätzig, und was Alf Tawney angelangt... Er hat schon von Haus aus keine Manieren. Stört es Sie, wenn ich Sie ein Stück begleite?«
    »Aber gar nicht«, sagte Wexford freundlich. Bei dem Dienstwagen blieb er stehen und gab Bryant Anweisung, zurück zum Revier zu fahren. »Wer ist Alf Tawney?«
    »Nur der Mensch, von dem wir Gemüse, Hühner und so was beziehen, Sir. Er haust in einem Wohnwagen auf seinen Feldern in Clusterwell.« Mrs. Cantrips Gesicht nahm einen verschlossenen, prüden Ausdruck an, so wie Burden manchmal aussah, wenn ein Thema angeschnitten wurde, das er für »anzüglich« hielt. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Alf von Interesse für Sie ist.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Wexford. »Für uns ist jeder von Interesse, der mit Mrs. Nightingale Umgang pflegte, selbst wenn er nur ihr Gemüselieferant war.«
    »Umgang pflegte Mrs. Nightingale mit ihm nicht, Sir.« Die Vorstellung schien Mrs. Cantrip zu schockieren. »Falls sie überhaupt von ihm wußte, dann nur durch Sean.« Sie seufzte, als bleibe ihr eine schmerzhafte Entscheidung nicht erspart. »Ich kann es Ihnen ja ruhig erzählen, denn der Dorftratsch handelt praktisch von nichts anderem. Alf hat ein Verhältnis mit Seans Mutter.«
    »Meine Güte«, sagte Wexford. »Das ist schlimm.«
    »Manche geben nicht Alf die Schuld dafür, weil er doch schon verwitwet ist, seit sein Junge zwölf Jahre alt war, und niemand hat, der ihm das Essen kocht und sich um ihn kümmert. Nein, für mich hat sie schuld. Denn schon in der Bibel steht, Sir, daß die Frau den Mann in Versuchung führt, da läßt sich nicht dran rütteln.«
    »Stimmt«, pflichtete Wexford ihr aus vollem Herzen bei.
    »Nicht daß ich sonderlich viel für Sean übrig hätte, aber niemand kann bestreiten, daß Mrs. Lovell ihn schändlich vernachlässigt hat. Eigentlich hat er nie eine richtige Mutter gehabt.«
    »Und Mrs. Nightingale nie einen Sohn.«
    Mrs. Cantrip sah ihm ins Gesicht. Wie schon zuvor, als das Gespräch auf ein Thema gekommen war, das sie für tabu erklärt hatte, wirkte sie empfindlich und zurückhaltend.

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