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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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»Sean hätte sich nie getraut, so etwas von der gnädigen Frau zu denken. Es gibt schließlich gewisse Grenzen. Und zudem-Mrs. Nightingale sah so jung und hübsch aus. Sie hatte es nicht gern, wenn die Leute ihr Alter wußten. Manchmal gab es mir einen richtigen Stich ins Herz, was sie alles tat, damit Sean und Nelke glauben sollten, sie sei so alt wie sie. Und als Sean sagte - es gehörte sich ja nicht, Sir, aber er weiß es eben nicht besser -, sie sei keine von diesen Spießern, und einmal sogar behauptete, was gutes Aussehen angehe, könne ihr von den Damen im Umkreis niemand das Wasser reichen, wirkte sie so glücklich und zufrieden.«
    »Er ist ein sehr gutaussehender junger Mann«, sagte Wexford.
    »Ich finde das zwar nicht, aber die Geschmäcker sind verschieden. Hier wohne ich, dann also auf Wiedersehen. Ich will nur hoffen, Sie nehmen den beiden ihr Verhalten nicht krumm, Sir.«
    Burden und Wexford sahen ihr nach, wie sie zu einem frisch gestrichenen weißen Cottage ging, dessen kunterbunter Garten zu denen gehörte, die der Detective Inspector am Nachmittag bewundert hatte. Sie nahm eine gelbe Katze in die Arme, die ihr zur Begrüßung entgegengelaufen war, und schloß die Haustür hinter sich.
    »Der arme vernachlässigte Junge«, sagte Wexford nachdenklich, »wurde von Mrs. Nightingale in ihrem Testament mit dreihundert Pfund bedacht. Ich frage mich, ob er davon weiß und es für wert hielt, deswegen einen Mord zu begehen. Aber lassen wir das mal für den Augenblick und statten der Haupterbin einen Besuch ab.«
    »Sir?« Burden sah ihn fragend an.
    »Ich erzähle es Ihnen im Wagen.« Wexford grinste breit. »Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten!«
    Wexford war gespannt, wie sie die Nachricht wohl aufnehmen würde. Freudig überrascht? Oder ängstlich, weil die Polizei von dem Testament erfahren hatte? Möglicherweise hatte sie von seinem Inhalt oder auch nur von seinem Vorhandensein gar nichts gewußt.
    Er teilte ihr ohne Umschweife mit, daß Mrs. Nightingale ein Testament zu ihren Gunsten hinterlassen habe, und achtete genau auf ihre Reaktionen. Sie waren enttäuschend. Georgina Villiers zuckte die Achseln und sagte: »Das überrascht mich. Ich hatte keine Ahnung.« Wie gewöhnlich trug sie ihre Kette, die Armreifen und Ohrringe, die ihr so unentbehrlich waren wie einer anderen Frau vielleicht Strümpfe und Lippenstift, und nicht einmal ein kleiner Funke Habgier in ihren Augen verriet, daß sie sich freuen würde, den Schmuck durch echte Steine zu ersetzen. Ihr Gesichtsausdruck wirkte apathisch und teilnahmslos, beinahe schläfrig, als hätte sie vor kurzem eine Tortur überstanden, die ihr gesamtes Empfindungsvermögen völlig aufgezehrt hatte.
    »War Ihnen bekannt, daß sie ein Testament gemacht hatte? Oder wissen Sie nicht, was sie Ihnen hinterlassen hat?«
    »Nein, weder noch«, sagte Georgina. Sie setzte sich auf eine Sessellehne. Ihre Bluse war ärmellos, und Wexford fielen die kräftigen Muskeln an ihren Schultern und Oberarmen auf. Solche Muskeln hatte er in seinem Leben nur einmal an den Armen einer Frau gesehen, und diese Frau war Ringerin gewesen.
    »Sie erben den gesamten Schmuck von Mrs. Nightingale«, sagte er.
    »So. Als sie sagten, das Testament sei zu meinen Gunsten, dachte ich schon, daß es etwas in der Art sein muß. Elizabeth besaß kein eigenes Vermögen, und ihr Taschengeld hatte sie immer schon durchgebracht, noch ehe das nächste in Aussicht war. Sie war schrecklich verschwenderisch.«
    “Mrs. Villiers, die Umstände des Todes Ihrer Schwägerin erscheinen dadurch in ganz neuem Licht.«
    »Wirklich? Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
    »Dann lassen Sie mich erklären.« Wexford hielt inne, als die Tür aufging und Denys Villiers hereinkam, sein unlängst erschienenes Buch aufgeschlagen in der Hand.
    »Ah, da bist du ja, Denys«, sagte seine Frau und stand auf. Ihre Stimme klang weiterhin dumpf und tonlos, als sie sagte: “Stell dir vor, Elizabeth hat ein Testament gemacht und mir alle ihre Ringe und Ketten vermacht.«
    Villiers steckte den Daumen zwischen die Buchseiten, um die Stelle zu markieren, und blickte belustigt in die strengen Mienen der beiden Polizisten. Daraufhin brach er völlig unerwartet in hysterisches Gelächter aus.

11
    Das Gelächter ihres Mannes löste bei Georgina viel mehr Unruhe aus als Wexfords Mitteilung. Unter der Maske ihrer Teilnahmslosigkeit lag etwas verborgen, etwas, das durch das Gelächter nun zum Vorschein kam

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