Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
Bekunden die Meinung anderer gleichgültig ist, klingt das merkwürdig«, warf Wexford ein, und als er Villiers’ arroganten Blick zu spüren bekam, fiel ihm plötzlich ein Verspaar ein. Er zitierte es nicht nur, weil es paßte, sondern weil er ein drängendes, unbezähmbares Verlangen empfand, Villiers zu beweisen, daß er kein Trottel, kein tumber, ungebildeter Provinzpolizist war, wie der Schriftsteller offenbar dachte.
»So stieg, so fiel er, niemals gleich der Schar Mit der zu atmen er verurteilt war.«
Die Wirkung war verblüffend; damit hatte er in keiner Weise gerechnet. Villiers rührte sich nicht, wurde aber kreidebleich. Reglos wie eine Statue schien er auf etwas zu warten, jedoch nicht auf weitere Worte, dachte Wexford, sondern auf Taten, auf eine ausschlaggebende entscheidende Handlung. Doch dann, vielleicht weil die beiden Polizisten verdutzt dastanden und keine Anstalten dazu machten, lachte Villiers.
Dieses Gelächter brachte Burden in Harnisch.
»Was bezwecken Sie damit eigentlich?« fuhr er ihn an. »Was möchten Sie damit beweisen? Weshalb möchten Sie sich über den Rest der Menschheit dermaßen erheben?«
»Erheben - oder mich unterwerfen, Mr. Burden.« Villiers hatte einen Blick von Wexfords Gesicht gewandt, und seine Augen waren groß und » So stieg, so fiel er - vergessen Sie das nicht. Und was ich möchte, ist ganz einfach.« Er stand auf und wandte ihnen den Rücken zu. »Ich möchte sterben.«
»Was zum Teufel«, sagte Wexford nachdenklich, als sie wieder im Wagen saßen, »ist denn in den gefahren, als ich diese Zeile zitiert habe?«
»Keine Ahnung«, sagte Burden. Schließlich raffte er sich auf. »Äh - von wem stammt das Zitat? Wordsworth?«
»Ich glaube nicht. Ich weiß nicht, von wem es ist. Es ging mir nur so durch den Kopf.« Burden nickte gleichgültig. Er war es gewohnt, mit Zitaten traktiert zu werden, die seinem Vorgesetzten nur so durch den Kopf gingen. Trockenes Bücherwissen, und mehr steckte schließlich nicht dahinter, brachte ihn immer in Verlegenheit. »Aber es wäre interessant, das herauszufinden«, sagte Wexford. »Gar nicht so leicht, so etwas ausfindig zu machen, wo es in unserem England von Musensöhnen doch nur so wimmelt.«
»Wir dürften wohl Wichtigeres zu tun haben«, meinte Burden unwirsch. “Weiterbringen würde uns, wenn wir einen Zeugen fänden, der bestätigen kann, daß Villiers nach seiner Heimkehr nicht mehr das Haus verließ.«
»Er oder seine Frau.«
»Ein Jammer, daß ihr Haus so abgelegen ist.«
»Ja. Wir müssen jemand finden, der an dem Haus vorbeigefahren ist. Aber das hat Zeit bis morgen früh. Lassen Sie den Schal ins Labor bringen, dann können Sie nach Hause gehen und den Anstreicher spielen. Körperliche Arbeit regt den Geist an, Mike, und während Sie den Pinsel schwingen, können Sie sich den Fall mal gründlich durch den Kopf gehen lassen.«
Burden atmete erleichtert auf und ließ den Wagen an. »Wen von den beiden haben Sie eigentlich in Verdacht?«
»Sie werden mir vorwerfen, meine Schlüsse seien voreilig, Mike, aber ich bin mir so gut wie sicher, daß sie es war. Georgina ist eine kräftige, gesunde junge Frau, körperlich dazu in der Lage, eine andere Frau mit einer Taschenlampe niederzuschlagen. Nicht ihr Mann, sondern sie erbt. Sie hielt sich im Herrenhaus auf, als die Taschenlampe zurückgestellt wurde. Sie kannte sich in dem Anwesen aus, und möglicherweise ist ihr das Unkrautfeuer früher am Abend aufgefallen. jedenfalls wußte sie, daß sie ihre Kleidung auf dem Feuer verbrennen konnte, falls irgendwo - zum Beispiel auf einem Pullover - Blutflecke zurückbleiben sollten.«
»Das deutet alles auf einen vorsätzlichen Mord hin«, sagte Burden. »Demnach hätte sie ausgerechnet eine Taschenlampe als Waffe gewählt.«
»Denken Sie darüber nach. Versuchen Sie, sich einen Reim darauf zu machen. Ich werde inzwischen Lionel Marriott aufgabeln und ihn auf ein Glas ins Olive einladen.«
12
Die neue Cocktailbar im Olive and Dove war fast menschenleer, denn inzwischen hatte es die meisten Hausgäste in den Speisesaal gezogen, während die ernsthaften Trinker in den Pub oder den Salon abgewandert waren. Wexford bugsierte Marriott in einen abgelegenen Winkel und stellte ihm einen großen Whisky vor die Nase. Die Bar war durch eine gläserne Flügeltür mit dem Speisesaal verbunden, doch Wexford hatte dafür gesorgt, daß die Gäste nicht in Marriotts Blickfeld gerieten. Er wollte ungestört mit Marriott sprechen und
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