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Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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auf dem Dachboden verstaut hat. Aber eine Lektion für sie? In ihrem Buch geht es um Autismus. Es geht nicht um sie. Sie schüttelt den Kopf.
    »Hast du je das Gefühl gehabt, etwas oder jemand anderen anzuzapfen, während du geschrieben hast?«, fragt Petra.
    »Nicht wirklich.«
    Es verblüfft Beth, die Unsicherheit in ihrer eigenen Stimme zu hören. Sie hat nie irgendwelche Stimmen gehört. Das nicht. Aber manchmal verstrichen, wenn sie geschrieben hat, ganze Stunden, ein ganzer Vormittag und Nachmittag, und es kam ihr vor wie nur ein paar Minuten. Und manchmal las sie, was sie geschrieben hatte, und dachte: Wie bin ich denn darauf gekommen? Woher wusste ich, wie ich das schreiben muss? Und dann waren da die Träume. Diese vollen und lebhaften Träume von Anthony.
    »Aber, Petra, ich habe dieses Buch geschrieben.«
    »Ich weiß, aber vielleicht hat sein Geist dir die Inspiration dazu geliefert, eine Anleitung zu einem vorgesehenen Weg, irgendeine notwendige Wahrheit.«
    Beth kaut auf ihrem Daumennagel und konzentriert sich angestrengt auf das, was Petra eben gesagt hat. »Okay, aber wenn ich ein Kanal für irgendjemandes spirituelle Botschaft sein sollte, warum sollte ich es dann für diesen Jungen sein und nicht für meine eigene Mutter oder meine Großmutter oder meinen Großvater?«
    »Ich weiß es nicht. Noch einmal, vielleicht gibt es einen Grund, weshalb ihr verbunden seid. Vielleicht gibt es in dem, was er sagt, irgendetwas für dich zu lernen. Oder vielleicht ist Olivia einfach eine Mutter, die ihren Sohn wirklich liebt und vermisst, und es gibt da etwas Ungelöstes mit ihm.«
    Beth nimmt einen Schluck Tee und denkt eine Minute nach.
    »Sie will wissen, welchen Sinn sein Leben hatte.«
    »Na bitte. Und dein Buch erinnert sie so sehr an ihn, dass sie die Geschichte, die du geschrieben hast, als ihre Chance sieht, zu verstehen, warum er hier war, und zu heilen. Wie wär’s damit?«
    Beth nickt.
    »Damit kann ich leben.«
    »Okay, was hältst du dann von ihrem Feedback? Meinst du, du hast das richtige Ende?«
    Da ist es wieder, genau wie damals, als Olivia in Beths Wohnzimmer war, dieses kribbelnde, kranke, flaue Gefühl.
    »Ich weiß nicht. Im Augenblick bin ich mir in gar nichts mehr sicher.«
    »Ich würde wieder in die Bibliothek fahren und versuchen, noch ein bisschen mehr zu schreiben. Sehen, ob Anthony noch mehr zu sagen hat. Das kann nichts schaden.«
    »Es gibt noch etwas«, gesteht Beth.
    Petra zieht die Augenbrauen hoch und wartet.
    »Jedes Mal, wenn sie gesagt hat: ›Sie haben noch nicht das richtige Ende‹, habe ich gespürt, wie es mich durchzuckt hat, und mir wurde ganz flau im Magen. Ich hatte eben erst die Sache mit Jimmy beendet.«
    »Interessant.« Petra klopft mit dem Zeigefinger gegen ihren Becher. »Überlegst du, ob das ein Fehler war?«
    »Ich weiß nicht, aber jedes Mal, wenn sie gesagt hat: ›Sie sind noch nicht fertig‹, war es wie ein Blitzschlag. Sie hat von mir und Jimmy geredet, nicht von dem Buch.«
    »Das heißt, vielleicht seid ihr, du und Jimmy, noch nicht fertig.«
    »Petra, sie hat von dem Buch geredet. Sie weiß nichts von mir und Jimmy.«
    »Ja, sie hat von dem Buch geredet, aber was du gehört hast, war Jimmy.«
    Beth seufzt. Sie dachte, ihr Buch wäre fertig. Sie dachte, sie und Jimmy wären fertig. Und jetzt kommt diese Frau, die sie kaum kennt, in ihr Haus spaziert, und auf einmal ist alles wieder infrage gestellt.
    »Du kannst an dieses spirituelle Zeug glauben oder nicht«, sagt Petra. »Nenn es einen wilden Zufall, wenn du willst. Ich glaube daran, und ich glaube an dich. Geh und schreibe. Du hast noch nicht das richtige Ende.«
    Da ist es wieder. Blitzschlag. Flauer Magen. Jimmy.
    »Ich weiß nicht, ich werde darüber nachdenken.« Beth sieht auf ihre Armbanduhr. »Ich muss los.«
    »Komm her.«
    Die beiden Frauen stehen auf und umarmen sich, Herz an Herz.
    »Danke fürs Reden«, sagt Beth.
    »Gern geschehen.«
    Beth schlüpft in ihre Jacke, nimmt ihre Tasche und winkt, während sie zur Haustür hinausgeht, noch immer unsicher in allem, einschließlich der glatten, runden Mondstein-Halskette in ihrer Tasche.

SECHSUNDDREISSIG
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    Olivia sitzt an ihrem Küchentisch und liest. Sie hatte vor, in einem ihrer Tagebücher zu lesen, aber zuerst hat sie die Post geöffnet, und sie wurde ungewollt von einem Vorausexemplar in den Bann gezogen, das Louise ihr geschickt hat, einem Buch mit dem Titel Glauben an Glückseligkeit: Zwölf Schritte, um das Glück von innen

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