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Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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Weingläser, Sektgläser und Martinigläser. Es gibt Bloody Marys mit grünen Oliven und Selleriesticks. Es gibt Gartenstühle und -tische, geschmückt mit Tischdecken und, natürlich, Vasen in der Mitte, prall gefüllt mit Narzissen. Auf den Tischen türmt sich das Essen, keine Hamburger und Hotdogs, sondern köstliches Essen, Essen, das bei einer Hochzeit aufgetischt werden könnte. Körbe mit Brot, Platten mit Käse, gebratene Muscheln, Sushi, Salate und Fischsuppe.
    Es ist alles sehr zivilisiert. Obwohl offenbar jeder in der Öffentlichkeit trinkt und sie überzeugt ist, dass viele dieser Leute beschwipst sind, ist keiner von ihnen so betrunken, dass er ein öffentliches Ärgernis ist. Niemand ruft hier die Campuspolizei. Niemand versucht einen Hail-Mary-Pass nachzuahmen oder im Handstand zu trinken oder übergibt sich. Niemand hat sich das Hemd ausgezogen und mit Fingerfarben EAGLES VOR oder DU NERVST auf die Brust gemalt.
    Diese Leute sind nicht hier, um ihr geliebtes Heimteam zu bejubeln oder eine siegreiche Saison zu feiern. Diese Leute haben ihre Koffer gepackt und sind mit dem Flugzeug oder mit dem Auto und der Fähre hunderte von Meilen weit gekommen, sie haben Picknickkörbe mit Kräckern und Käse und Hummer und Wein vorbereitet, sie haben sich mit ihren schrillen gelben Kostümen in Schale geschmissen und sind nach ’Sconset gefahren, um an einem eiskalten Apriltag am Straßenrand zu sitzen und eine Blume zu feiern. Diese Leute sind verrückt.
    Olivia meidet jeden Blickkontakt und geht mit schnellen Schritten mitten auf der Straße weiter, als wäre sie irgendwohin unterwegs, auf der Suche nach jemandem, den sie kennt, und als hätte sie nicht die Zeit, stehen zu bleiben und sich umzusehen. Die Luft riecht nach nasser Erde und buttersüßen Blumen, Meer und Knoblauch. Ihr Magen knurrt. Sie wünscht, sie hätte dieses Blaubeerscone bekommen. Oder einen Bissen von dem Hummerbrötchen dieser Frau.
    Nachdem sie alles gesehen hat, was es bei diesem bizarren Straßenrand-Festival zu sehen gibt, macht sie kehrt, geht zurück zu ihrem Wagen und fährt los zur anderen Seite der Insel. Sie freut sich über das fröhliche Meer von Gelb, das die Landschaft rings um sie schmückt. Wieder in ihrer Auffahrt angekommen, entdeckt sie sechs Narzissen in ihrem eigenen Vorgarten, drei goldgelbe und drei weiße, voll aufgeblüht und im Wind schaukelnd, als würden sie nicken und sich freuen, sie zu sehen. Sie fragt sich, wer sie gepflanzt hat. Sie lächelt, fühlt sich jetzt nicht mehr nur hungrig, sondern auch seltsam inspiriert.
    Sie macht sich eine Schale Fischsuppe in der Mikrowelle warm und schüttet eine Handvoll Austern-Kräcker darüber. Sie nimmt sich einen Löffel, ihren Latte, eine Decke von der Couch und ihr Bibliotheksbuch und setzt sich in den Schaukelstuhl auf der Veranda. Kalter Kaffee, drei Tage alte Fischsuppe und sechs der drei Millionen Narzissen ganz für sie allein. Ihr eigenes privates Wagenpicknick, um den Narzissentag zu feiern, oder wie immer sie es nennen. Perfekt. Oder zumindest nicht schlecht.
    Sie nimmt einen Löffel Suppe und betrachtet ihre Blumen, die im Wind zittern, unglaublich leuchtend und zerbrechlich und tapfer gegen das kalte Grau des Aprils auf Nantucket. Es muss schwer sein, hier eine Narzisse zu sein. Vermutlich wünschten sie, sie könnten noch einen Monat länger in der Erde bleiben. Aber sie haben dabei nicht mitzureden. Die biologische Uhr in ihnen hat den Keimungsschalter umgelegt, hat jeder Zwiebel gesagt, sie soll sprießen und wachsen, egal, ob es in Georgia sonnig und zwanzig Grad warm ist oder auf Nantucket im April noch wie im Winter. Sie kommen, Jahr für Jahr.
    Sie nimmt noch einen Löffel Suppe und denkt über all die Leute nach, die in ’Sconset feiern, Monate bevor das Wetter sie einlädt, um die Narzissen zu begrüßen. Was soll das? Sie isst ihre Fischsuppe auf und trinkt ihren Latte. Sie bleibt auf der Veranda sitzen, den Blumen und der Sonne zugewandt, spürt durch die kalte Luft die Wärme auf ihrem Gesicht. Sie schließt die Augen, aalt sich in diesem kleinen Vergnügen.
    Vielleicht ist es das Versprechen des Sommers. Nach einem langen und trostlosen Winter, der sich oft über den ganzen Frühling erstreckt, ist die Narzisse vielleicht ein Zeichen dafür, dass der Sommer wiederkommen wird. Die Erde wird sich weiter um die Sonne drehen, und die Uhren werden weiter ticken, auch wenn Olivia ihre nicht umstellt, und die Zeit wird voranschreiten. Der Winter wird

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