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Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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anders und leicht zu unterscheiden von den Sommerleuten, wie Wildpferde zwischen Zirkuszebras, auch wenn sie weiß, dass dieses Gefühl nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Obwohl sie sich einen gewissen Respekt verschafft hat, indem sie einen Teil des Winters und einen ganzen Frühling hier verbracht hat, hat sie doch noch kein ganzes Jahr »auf der Insel« gelebt. Sie ist kein echtes Mitglied der Herde. Sie hat noch nicht genügend Zeit abgesessen. Aber selbst nach einem ganzen Jahr – und ehrlich gesagt, selbst nach fünfzig Jahren – wird sie immer noch als Strandgut angesehen werden, eine Verpflanzte, nie als echte Ortsansässige, und absolut nie als Einheimische (man muss hier geboren sein, um diesen Titel führen zu dürfen).
    Sie hat bereits ein paar Anpassungen vorgenommen, die zu ihren Sommergesetzen für das Leben hier geworden sind:
    Nie zwischen zehn und drei an den Strand gehen. Das ist die Zeit, zu der alle gehen.
    Die Stadt um jeden Preis meiden. Wenn du hinmusst, fahr nicht um die Mittagszeit oder irgendwann nach achtzehn Uhr in die Innenstadt. Du wirst nirgends einen Parkplatz finden.
    Von Freitag bis Sonntag niemals zum Stop & Shop fahren.
    Für alles eine halbe Stunde mehr einplanen.
    Sie hat sich diese Regeln auf ein Blatt Papier geschrieben und es neben ihrer Haustür an die Wand geklebt, eine niedliche, aber ernste Ermahnung für den Fall, dass sie vergesslich oder überheblich werden sollte. Und aus diesem Grund verflucht sie sich jetzt, während sie in der Nudelabteilung vor Newman’s-Own-Marinarasauce steht, am Ende einer entmutigend langen Kassenschlange im Stop & Shop an einem Samstagnachmittag.
    Sie brauchte Kaffee und Eier, und sie dachte, es wäre schön, einen Salat zum Abendessen zu haben, ohne an den Kalender oder ihre Sommergesetze zu denken. Ihr war nicht bewusst, welcher Tag es war, bis sie auf den voll besetzten Parkplatz einbog und es ihr wieder einfiel. Sie zögerte, überlegte kurz, ob sie den Salat vergessen und wieder nach Hause fahren sollte, aber in diesem Augenblick hupte die Frau in dem Land Rover hinter ihr, drängte Olivia, weiterzufahren, und so tat sie es, während sie dachte: Wie schlimm kann es schon sein?
    Das war vor über einer Stunde. Sie zählt die Artikel in ihrem Einkaufskorb. Vierzehn. Wenn sie den Laib Brot und das Toilettenpapier (sie kann mit dem, was sie hat, bis Montag auskommen) zurücklegt, dann kann sie sich drüben an der Expresskasse anstellen, aber die Schlange dort ist noch länger, und die Stimmung unter diesen Leuten erscheint ihr noch feindseliger.
    »Das dauert ja ewig«, murmelt die Frau hinter Olivia. »Ich komme bestimmt zu spät.«
    Olivia ist froh, dass sie es wenigstens nicht eilig hat. Sie hat heute Abend keine Strandporträtsitzung. Die Familie, die sie für heute Abend gebucht hatte, hat heute Morgen abgesagt.
    Eine professionelle Strandporträtfotografin zu werden erwies sich letztendlich als weitaus einfacher, als sie sich vorgestellt hatte. Zunächst stellte sie ein paar Nachforschungen an, indem sie bei den anderen Porträtfotografen auf der Insel anrief und sich nach ihren Preisen erkundigte. Dann rechnete sie es sich durch und kam zu dem Schluss, dass sie, wenn sie von Juni bis zum Labor Day vier Sitzungen pro Woche machen könnte, genug verdienen würde, um das ganze Jahr davon zu leben. Mehr als genug.
    Aber dann hatte sie das Problem, wie sie überhaupt an Kunden kommen sollte, geschweige denn an vier pro Woche, die sie engagierten, eine Unbekannte ohne professionelle Ausbildung oder Erfahrung, nur mit einem guten Auge und einem Händchen für die Kamera. Um dieses durchaus größere Problem in Angriff zu nehmen, tat sie zwei Dinge. Erstens, sie druckte Flyer und hängte sie überall in der Stadt aus – im Besucherzentrum, in Youngs Fahrradladen, im The Bean, in der Bibliothek, der Handelskammer, an den Anlegestellen der Hy-Line und der Steamship Authority und selbst hier im Stop & Shop. Und zweitens, sie stellte sicher, dass ihr Preis zweihundert Dollar unter dem »billigsten« üblichen Angebot lag.
    Bald kamen die ersten Anrufe und E-Mails, und inzwischen hat sie mehr Sitzungen, als sie für möglich gehalten hätte, vier bis sechs pro Woche, oft zwei an einem Abend. Sogar für das Labor-Day-Wochenende hat eine Familie sie schon gebucht. Die Abzüge werden alle online bestellt, über eine getrennte Firma, sodass sie nichts weiter tun muss, als mit ihrer Digitalkamera die Bilder zu schießen, sie auf ihrem Computer mit

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