Der Liebe eine Stimme geben
diesem Typen war nur eine einmalige Angelegenheit?«
»Ja.«
»Und ihr seid glücklich?«
»Ja, das sind wir wirklich.«
»Und ihr vertraut euch.«
»Ausreichend. Leuten, mit denen man in einer Beziehung ist, ist man immer ausgeliefert, oder? Alles kann passieren. Aber ich vertraue ihm ausreichend.«
»Was, wenn er dich wieder betrügt?«, fragt Beth.
»Dann würde ich ihn umbringen.«
»Nein, im Ernst.«
»Ich weiß nicht, vielleicht noch ein Henry.«
»Ich weiß nicht, Courtney. Ich glaube nicht, dass ich das könnte.«
»Willst du denn, dass mit dir und Jimmy alles wieder ins Lot kommt?«
Früher dachte Beth, Jimmy und sie wären Seelenverwandte. Sie hatten so vieles gemeinsam, als sie sich kennen lernten. Sie sind beide Einzelkinder, von alleinerziehenden Eltern großgezogen. Sein Vater starb an Lungenkrebs in dem Jahr nach dem Tod ihrer Mutter. Unabhängig und irgendwie furchtlos, waren sie beide fest entschlossen, ihre Träume zu verfolgen, etwas, was sie liebten, zu ihrem Beruf zu machen. Für Beth war es das Schreiben. Für Jimmy war es das Muschelfischen.
Jimmy ist in Maine aufgewachsen. Sein Vater war ein Hummerfischer, der jeden Penny sparte, damit Jimmy aufs College gehen konnte, in der Hoffnung, sein Sohn würde eine solidere, weniger schweißtreibende Möglichkeit finden, um für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Jimmy ging auf die Universität von Maine und bekam nach seinem Abschluss den Schreibtischjob, von dem sein Vater träumte, in einem kleinen Softwareunternehmen. Aber Jimmy hasste seinen Schreibtisch und seine Arbeitsnische, und er hasste es, in einem Büro eingesperrt zu sein, und er bewunderte das Leben seines Vaters als Fischer.
Im Sommer darauf fuhr er nach Nantucket, nachdem er seinen »seelenlosen« Job ein Jahr lang ausgeübt hatte. Es sollte ein verlängertes Wochenende werden, ein Kurzurlaub mit Freunden. Genau wie Beth verliebte er sich in die Insel. Er beschloss zu bleiben, aber anstatt Hummer zu fischen, was er konnte, lernte er Muscheln zu fischen, womit damals das große Geld zu verdienen war.
Sie liebten dieselbe Musik, dasselbe Essen, sie liebten Nantucket. Sie liebten einander. Und was ist aus ihnen geworden? Jimmy hat das Muschelfischen aufgegeben, und bis vor Kurzem hatte sie mit dem Schreiben aufgehört. Jimmy hat mit einer anderen Frau geschlafen, und sie weiß nicht, was sie beide noch lieben.
Sie sieht hinüber zu der alten Frau. Beth ist noch jung. Sie könnte noch einmal von vorn anfangen, und nicht unbedingt mit einem anderen Mann. Sie könnte sich neu orientieren, ihr Leben als alleinerziehende Mutter neu definieren. Sie könnte dieses Buch zu Ende schreiben, vielleicht von der Insel wegziehen, einen Job bei einer Zeitung oder Zeitschrift finden, vielleicht irgendwo, wo es Berge gab, oder in einer Großstadt, vielleicht zurück nach Portland ziehen. Irgendwohin, wo es keinen Sand, keinen Nebel, keine Touristen gab. Und keine Angela Melo.
Diese Möglichkeiten, allein schon die Worte ich könnte , fühlen sich berauschend an. Sie kann alles tun, was sie will. Aber was will sie eigentlich? Sie ist froh, dass Jimmy sie wiederhaben will, aber sie traut ihren eigenen Motiven für dieses gute Gefühl nicht ganz. Er hat sich für sie entschieden. Sie hat gewonnen. Sie hat Angela besiegt. Das heißt, vielleicht fühlt sie sich eher siegreich als glücklich.
Und wer kann schon sagen, dass er es sich in einer Woche, einem Monat, nächstes Jahr, nicht wieder anders überlegen wird, dass er nicht eines Tages um drei Uhr morgens in Angelas Küche auftauchen wird, mit einer Karte in den Händen, die Hose in den Kniekehlen? Nein, sie hat nicht das Bedürfnis, an dieses Jo-Jo gehängt zu werden.
Vielleicht gibt es gar keine Seelenverwandtschaft. Vielleicht sind Ehemänner einfach Männer, mit denen Frauen sich irgendwann abfinden, damit jemand da ist, um die Klimaanlagen vom und auf den Dachboden zu schleppen, ihre Kinder zu lieben, ihnen Gesellschaft zu leisten. Aber Beth kann die Klimaanlagen selbst schleppen, ihre Freundinnen leisten ihr reichlich Gesellschaft, und er kann die Kinder immer noch lieben, selbst wenn sie ihn nicht mehr liebt. Doch genau das ist der Punkt. Sie könnte ihn noch immer lieben.
»Ich weiß nicht.«
»Sieh mal, im Moment hat Jimmy die ganze Macht. Es geht nicht nur darum, ob ihr euch wieder lieben oder euch wieder vertrauen könnt, es geht um den Ausgleich der Macht.«
Während Beth über dieses Rezept für eine Ehe nachgrübelt, über
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