Der Liebe Gott Macht Blau
wahrscheinlich mindestens hunderttausend fromme Menschen.«
Pirjeri erinnerte sich, dass der Ort weniger als zehntausend Einwohner hatte. Moses vermutete, dass sie vielleicht größenwahnsinnig waren, doch Pirjeri nahm eher an, dass zu den Zeiten des Kirchenbaus ein größenwahnsinniger Pastor Regie geführt hatte. Schon bald würde man mehr wissen, denn ein paar Savolaxer Engel würden sie empfangen und ein wenig über die Kirche und die Ortschaft berichten.
Das heilige Trio schritt über den schmutzigen Sandweg zum Vorplatz der Kirche, vorbei am hohen Glockenturm, und dann schauten sie hinauf zu dem gelb gestrichenen Gebäude und der mit grüner Patina überzogenen Kupferkuppel. Jesus, wirklich gewaltig! Ganze Engelskolonnen passten hinein. Pirjeri sah sofort, dass die Kirche von Kerimäki mehr Platz bot als das Herrenhaus von Louhisaari.
Doch wo blieben die einheimischen Engel, die denAllmächtigen empfangen sollten? Auf den Stufen zum Eingang stand, auf seinen Stock gestützt, lediglich ein einsamer alter Mann mit Schnauzbart. Er trug einen altmodischen Anzug aus Tuch, an den Füßen Lappenstiefel, seine Augen blickten munter. Er war um die sechzig und bewegte sich schwerfällig, als er an seinem Stock die Stufen herunterkam und den drei Ankömmlingen entgegenhinkte. Schon von Weitem rief er mit kläffender Stimme:
»Ist wohl der neue Gott, der da kommt, oder? Ich bin Heikki Häyrinen!«
Es war der frühere Landpolizeikommissar von Kerimäki, geboren 1874 in Mikkeli und gestorben 1943 hier im Ort, von seinem militärischen Rang her Zahlmeister und ansonsten ein leidenschaftlicher Hobbyhistoriker, was die Geschichte des Ortes und das Sammeln und Bewahren entsprechender musealer Gegenstände anging. Man schüttelte sich die Hand.
»Ihr könnt mich Schrott-Heikki nennen, so haben mich zu Lebzeiten alle hier geschimpft.«
Pirjeri stellte ihm Moses und Obadja vor.
»Der echte Moses? Ist ja ein Ding, und Opatja! Dann mal willkommen in Kerimäki, wir gucken uns als Erstes Hytermä an, ganz in Ruhe.«
Schrott-Heikki erzählte, dass er seinerzeit ein ziemlich mächtiger Mann in Kerimäki gewesen war. Er war ausgerechnet während des Krieges gestorben, seine Beine hatten nicht mehr mitgemacht, und die Lähmung hatte den Rest besorgt. Na schön, das dazu, keine bösen Gedanken an Vergangenes! Bei den Engeln wollte man ihn zunächst gar nicht aufnehmen, er musste jahrelang im Fegefeuer auf den passenden Moment warten, um den richtigen Platz zuergattern. Mehr als zwanzig Jahre Buße für die paar kleinen Sünden! Endlich, in den Sechzigerjahren, so erzählte er, war er in den Himmel gelangt, nach langem und ödem Warten. Seither wirkte er als Engel hier in Kerimäki, in vertrauter Umgebung und als Chef der anderen örtlichen Engel.
Pirjeri fragte, wo die anderen seien, er habe ein größeres Empfangskommando erwartet. Schrott-Heikki winkte ab und sagte, dass niemand Kerimäki so gut kenne wie er, weder einer der Lebenden noch der Toten. Man habe ihm gesagt, dass Gott nach einem passenden Ort für den Himmel Ausschau halte. Nun, Kerimäki sei der bestmögliche Standort, und dort wiederum die herrlichen Inseln von Hytermä.
»Da ist Platz genug für den ganzen Himmel, und schön ist es außerdem!«
Pirjeri betonte, dass er sich speziell die Kirche von Kerimäki ansehen wolle. Wie wäre es, wenn Heikki sie ihm zeigte, schließlich kenne er ihre Geschichte und auch den Baustil.
»Immer mit der Ruhe, lieber Gott … bloß nichts übereilen, das bringt gar nichts. Die Kirche ist gleich dran, erst mal gehen wir nach Hytermä, an den schönsten Ort der Welt!«
Da half alles nichts, Schrott-Heikki führte Pirjeri mit seiner Begleitung nach Hytermä. Es war ein aus drei Inseln bestehendes Naturschutzgebiet im Puruvesi-See, ein paar Kilometer vom Kirchdorf entfernt. Als sie die Hauptinsel erreicht hatten, konnten sie sehen, dass die Landschaft einmalig schön war, besonders Obadja war beeindruckt: gepflegter Kiefernwald auf sandigen Landrücken, sanftgeschwungene Uferstreifen und wunderhübsche kleine Waldteiche.
Schrott-Heikki erzählte, dass Hytermä sein geliebtes Lebenswerk sei, fünfzig Hektar Freilichtmuseum, ein für kommende Generationen errichtetes Paradies, in dem man den Himmel sehr gut unterbringen könne. Heikki habe in den Dreißigerjahren Dutzende von Mühlsteinen auf die Insel geschafft, habe Scheunen und andere ländliche Gebäude dorthin verfrachtet und sie mit alten bäuerlichen Gegenständen
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