Der Liebe Gott Macht Blau
vollgestopft. Während der Notstandszeit habe er hungernde Arbeiter gedungen, und sie hatten überall auf der Insel die verschiedensten Denkmäler errichtet, hatten sie unter großen Anstrengungen aus Natursteinen gemauert. Das größte sei das »Mahnmal der Arbeit«, ein mehrere Meter hohes Monument, das an sichtbarer Stelle am Ufer der Hauptinsel aufrage.
»Guck mal, Herr Pirjeri, ist es nicht prachtvoll? Dafür haben die Leute viele Jahre gebraucht, und es hat einen Haufen Geld gekostet. Aber ich hab hier auf der Insel alles selber bezahlt, die Museumsherren haben mir keinen einzigen Pfennig geschenkt.«
Sie durchwanderten die ganze Insel. Heikki erzählte, dass er zusammen mit seiner Frau Lilli ganz Hytermä testamentarisch dem Waldforschungsinstitut für museale Zwecke vermacht habe. Die wertvollen Wälder schien das Institut tatsächlich gut zu pflegen, aber die Gebäude verrotteten.
»Wenn ich hier noch das Sagen hätte, wäre jede Hütte tipptopp in Schuss«, schimpfte Heikki.
Sie zwängten sich durch den Eingang eines aus Balken gebauten alten Speichers, in dem verschiedene Gerätschaftenausgestellt waren: Netze, Reusen, Körbe, Hobel, Messer, Spinnrocken, Skier. Obadja machte dieser exotische Raum großes Vergnügen, und die ausgestellten alten hölzernen Gebrauchsgegenstände sprachen sein Formempfinden an. Er löcherte Schrott-Heikki, wofür die einzelnen Gegenstände verwendet worden waren, und Heikki erzählte gern: Dieser Bottich hatte dem und dem Zweck gedient, dieses Schleppnetz war so und so eingesetzt worden, die Wiege hatte die und die Funktion gehabt, auf dem Rost war das und das gebraten worden, und das Erbsenbrot hatte man in den schrecklichen Hungerjahren gegessen.
»Guck mal hier, Opatja, das ist ein Stoffgürtel. Früher in alten Zeiten haben die Weibsbilder mit kleinen Brettchen allerlei Gürtel gefertigt, das machte einen Haufen Arbeit, zuerst wurde das Kettengarn zwischen kleinen Pflöcken aufgeschlagen, die an der Wand befestigt waren, dann wurde das Garn in die Löcher dieser Bretter gefädelt, in das eine Brett von einer Seite und in das zweite von der anderen Seite. Kapierst du, Opatja? Bei acht Brettchen mit je vier Löchern brauchte man, lass mich nachdenken, genau, da brauchte man zweiunddreißig Fäden! Das angezettelte Gewebe kam dann ins Schnürbrett, dieses Ding hier, da mussten die Weiber ordentlich fingerfertig sein, um das hinzukriegen … so musste es aussehen. Prima Erfindung, oder? Die Brettchen mussten immer genau richtig aufeinander folgen, dann wurden sie nachher im Uhrzeigersinn gedreht, pass auf, so, das Garn wickelte sich umeinander und das Band entstand! Klar, das Gewebe musste angezettelt werden, bloß mit Garn kriegt man kein Band hin. Ja, und so sah der Gürtel dann aus. Probier mal, Opatja, wie prima der passt!«
Obadja betastete entzückt das verrottete Stück Gürtel. Er probierte es auf seinem Umhang aus, drehte sich ein paar Mal vor den anderen und legte dann die Kostbarkeit wieder auf den Mühlstein, der als Ausstellungstisch diente, anschließend sah er Pirjeri bittend an.
»Hier zu wohnen, wenigstens für hundert Jahre, wäre großartig.«
»Was hab ich gesagt! Einer, der Sinn für so was hat, weiß hier jede Menge anzustellen! Dieser Ort ist einfach der Himmel für den, der ein Auge für alles Alte und Wertvolle hat«, rief Schrott-Heikki.
Pirjeri wollte wissen, ob Obadja es ernst meinte. Er wollte also wirklich aus dem bulgarischen Schloss und der Gesellschaft der Engel hierher in die Museumsgebäude von Hytermä umziehen?
»Mir gefallen dieses Ursprüngliche und der Frieden hier wirklich sehr. Ich war ja einst ein alter Hirte, in kalten und prunkvollen Schlössern habe ich mich noch nie heimisch gefühlt.«
Pirjeri fragte, wie Moses darüber dachte. Wäre es eine Lösung, wenn Obadja hier bei Schrott-Heikki in Hytermä wohnen bliebe? Moses fand den Gedanken recht absonderlich. Aber wenn Obadja der Ort gefiel, was hinderte ihn daran, sich hier niederzulassen.
Es war beschlossene Sache. Obadja sah ganz glückselig aus.
Schrott-Heikki zeigte auf ein altes Foto, das mit einer Reißzwecke an der Wand befestigt war und das eine Gruppe ernst dreinblickender Menschen in der Landschaft von Hytermä zeigte.
»Wir hatten hier früher schon mal vornehme Gäste! Alsdie Gemeinde Kerimäki ihren dreihundertsten Geburtstag feierte, da hatten Lilli und ich all diese hohen Herren zu Besuch. Da links, das ist der Gemeindearzt Kalle Ruuskanen, daneben
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