Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
lassen lediglich den Schluss zu, dass alle Raubmorde höchstwahrscheinlich von einem Mann (theoretisch sogar von einer Frau) begangen wurden, der über erhebliche kriminelle Energie und Kaltblütigkeit (Doppelmord!) und reichlich Erfahrung (Beseitigung von Spuren und Leichen) verfügte. Also waren es nicht die spontanen Augenblickstaten von Anfängern. Und diese Präferenzen treffen eben nicht nur auf eine einzige Person zu, ein solches Verhaltensmuster ist lediglich stilbildend bei einem bestimmten Verbrechertypus. Demnach gelingt auch hier nicht der Nachweis einer Serientäterschaft (Tabelle, Nummern 10-12, 16-17).
Allerdings ergibt sich aus kriminalstatistischer Sicht ein überaus bedeutsames Kriterium, das den Erkenntniswert der genannten Merkmale wesentlich beeinflusst. Zunächst: Der Liebespaar-Mord ist generell ein sehr selten zu beobachtendes Delikt. In Deutschland wurden – soweit ersichtlich – nach Ende des Zweiten Weltkriegs lediglich einundzwanzig solcher Taten verübt, in neun Fällen überlebte wenigstens ein Opfer. Zudem: Beschränkt man sich bei dieser Betrachtung auf die Region Düsseldorf und Umgebung, bleiben für den genannten Zeitraum allein vier Taten übrig: der Überfall auf Ernst Littek und Dr. Wilhelm Stürmann 1953, die »Liebespaar-Morde« 1955/56, der Doppelmord in Opladen 1958. Eine aus statistischer Sicht hoch signifikante Häufung, die allerdings keinen Beweis wert hat – denn empirisch hinreichend belegte Vergleichszahlen fehlen. Es existiert nämlich kein wissenschaftlich belegter Erfahrungswert, der bei einer solchen Signifikanz – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Merkmalsübereinstimmungen – nur diese eine Annahme zulässt. Solange andere Schlussfolgerungen möglich und denkbar erscheinen, darf solchen Erkenntnissen keine Beweisqualität zukommen. Gleichwohl ist es legitim, eine hohe Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass wenigstens die Doppelmorde in Düsseldorf und Opladen miteinander korrespondieren.
Besonders aussagekräftig sind unter dem Aspekt der Serienmörder-Hypothese in den Fällen 1 und 2 die Tötungsart und die Intensität der Tatausführung (Tabelle, Nummern 7-8). Den Opfern wurden jeweils tödliche Schlagverletzungen im Kopfbereich zugefügt. Dieses Täterverhalten könnte im Sinne einer so genannten Signatur gedeutet werden. In diesem Kontext propagieren insbesondere Wissenschaftler und Autoren aus dem angloamerikanischen Sprachraum, dass die Signatur beziehungsweise Handschrift (im angloamerikanischen Sprachraum bezeichnet als personation [im Einzelfall], signature [als Bestandteil einer Tatserie], calling card oder trademark ) insbesondere des multiplen Sexualmörders »konstant« und »veränderungsresistent« sei. Unter einer Signatur sollten allgemein unverwechselbare Handlungssequenzen verstanden werden, die die speziellen Bedürfnisse eines Täters abbilden und keinen strategischen oder rationalen Charakter aufweisen. Hierdurch unterscheidet sich die Signatur vom Modus Operandi, der lediglich die kognitiv gesteuerten Tathandlungen beschreibt, die innere, psychopathologisch bedingte und hoch signifikante Struktur der Tat, ihre charakteristische Ausprägung hingegen weitestgehend unberücksichtigt lässt.
Der Ex-FBI-Profiler John Douglas definiert den »Verhaltens-Fingerabdruck« so: »Die Visitenkarte ist das, was über das zur Begehung des Mordes Notwendige hinausgeht. Die Handschrift ist sehr häufig phantasiegebunden. Sie mag sich entwickeln, was jedoch nicht heißt, dass sie sich im landläufigen Sinne verändert. Vielmehr ist dies ein Prozess des sich nach und nach ausprägenden Themas. Die Handschrift bleibt im Kern – im Gegensatz zum Modus Operandi – unverwechselbar erhalten.« Der ehemalige Kriminalist und jetzige Präsident des »Institute for Forensic« in Seattle, Robert D. Keppel, beschreibt die »psychologische Visitenkarte« als »persönlichen Ausdruck, den unverwechselbaren Stempel, den er der Tat aufdrückt als Ergebnis eines psychologischen Zwangs, sich auf diese Weise sexuell zu befriedigen.« Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt Brent E. Turvey, Wissenschaftler und Fallanalytiker in den USA: »Eine Täter-Handschrift ist das Muster eines unverwechselbaren Verhaltens, das charakteristisch ist für emotionale und psychologische Bedürfnisse.«
Tatsächlich hat es auch in Deutschland immer wieder multiple – im Regelfall sadistisch veranlagte – Sexualmörder gegeben, die insbesondere den Tötungsakt, aber auch
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