Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
Tathergang war denen der Morde sehr ähnlich gewesen: Unter Vorhalt eines Klappmessers hatte er eine 19-Jährige gezwungen, ihm in seine Wohnung zu folgen. Dort war die junge Frau gefesselt, anschließend vergewaltigt worden. Danach hatte Ernst sein Opfer freigelassen. Auch hier waren die sich ähnelnden Tatbegehungsweisen im Wesentlichen ausschlaggebend für den Ermittlungserfolg.
Tatsächlich spiegelt das Verhalten multipler Mörder mehrheitlich eine Tendenz zu sich ähnelnden beziehungsweise übereinstimmenden Tatbegehungsweisen. Hierbei darf jedoch nicht in Vergessenheit geraten, dass es im Regelfall lediglich eine oder mehrere Tathandlungs sequenz(en) sind, die auf denselben Täter hinweisen können. Dennoch erscheint diese Erkenntnis nicht generell geeignet, um eine zweifelsfreie Tat-Tat-Zuordnung oder Tat-Täter-Übereinstimmung prognostizieren zu können. Denn der Modus Operandi ist ein kognitiv gesteuertes, erlerntes, dynamisches und jederzeit veränderbares Verhaltensmuster, das zudem von situativen Einflüssen vor, während und nach der Tat, aber insbesondere auch von der Intelligenz und den Lernerfahrungen des Täters gespeist und dominiert werden kann. Das heißt: Kein Mord gleicht dem anderen.
Unter Berücksichtigung aller bislang verfügbaren Fakten ergeben sich für die Doppelmorde in Düsseldorf und Opladen folgende Tatmuster (siehe Tabelle auf gegenüberliegender Seite):
Bei einer summarischen Betrachtung ergeben sich gravierende Übereinstimmungen: Sechzehn von zwanzig untersuchten Merkmalen sind in allen Fällen nahezu identisch. Eine derartige Kongruenz ist selten. Allerdings berechtigen diese Feststellungen nicht zu der Annahme, dass alle Morde von einem Serientäter begangen worden sein müssen. Denn: Die Mehrzahl der Untersuchungsmerkmale haben kaum Beweiswert, selbst als Indizien für ein Serienverbrechen sind sie mitunter nur bedingt geeignet.
Grund hierfür sind Rahmenbedingungen und Tathandlungssequenzen, die bei Überfällen auf Liebespaare in Kraftfahrzeugen per se zu erwarten sind. Zunächst die Opfer: Sie suchen gezielt den Schutz der Dunkelheit, einer abgelegenen Örtlichkeit und ihres Wagens, um ungestört und unerkannt zu bleiben. Zudem wird durch die Berufstätigkeit mindestens eines Beteiligten ein bestimmtes Zeitfenster vorgegeben. Ferner ist das spezifische Opferrisiko insbesondere abhängig vom Verhalten und der Lebenserfahrung der Leidtragenden. Überdies hat der Täter auf diese Bedingungen (Tabelle, Nummern 1-2, 4-5, 14) überhaupt keinen Einfluss, er kann sie bestenfalls kalkulieren.
Der Täter: Wer Liebespärchen überfallen will, muss über entsprechende Ortskenntnisse verfügen. Andernfalls ist die Tat nicht durchführbar. Er ist zudem gezwungen, die Tatwaffe(n) mitzuführen. Wie will er die Opfer sonst einschüchtern, attackieren und/oder kontrollieren? Mit nackten Worten und bloßen Händen? Der Täter muss eine solche Tat demnach auch planen, entsprechende Vorbereitungen treffen. Und er geht bei einer solchen Tat generell ein erhöhtes Risiko ein, weil die Interaktion mit zwei Opfern notwendig ist. Dieser Umstand wiederum bedingt und erfordert ein spezielles Täterverhalten – die sofortige Gewaltanwendung. Andernfalls würde sich das Risiko einer Tateskalation wesentlich erhöhen und den angestrebten Taterfolg unnötigerweise gefährden. Insofern werden diese Begehungsmerkmale (Tabelle, Nummern 6, 13, 15, 18-20) jedem Verbrecher förmlich aufgegeben und sind demzufolge keine sicheren Kriterien, um die drei Doppelmorde demselben Täter zuschreiben zu dürfen.
Anders zu beurteilen sind Tathandlungssequenzen, die eine von extrinsischen Faktoren freie Willensentscheidung implizieren. Sie lassen in aller Regel individuell geprägte Entscheidungen erkennen. In sämtlichen Fällen dürfte das Leitmotiv Habgier gewesen sein, es wurde lediglich Scheingeld geraubt (mit Ausnahme der Kfz-Papiere beim Doppelmord in Opladen). Weitere Tatsachen (z. B. sexueller Missbrauch der weiblichen Opfer), die einen anderen motivischen Hintergrund indizieren, konnten nicht festgestellt werden. Beachtlich erscheinen auch die übereinstimmenden Merkmale, jeweils Spuren und Leichen zu beseitigen. Insofern sind in allen Fällen identische Entscheidungen getroffen worden, obwohl durchweg mindestens zwei Möglichkeiten zur Auswahl standen.
Doch können auch diese Entscheidungen nicht zwingend auf dieselbe Person zurückgeführt werden. Denn die beschriebenen Sequenzen dieses Modus Operandi
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