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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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Kripobeamten, die ihn damals in die Mangel genommen hatten – allerdings voller Hochachtung.
    Und genau diese Bemerkungen waren es, die mich stutzig machten. Die Polizei hatte ihn seinerzeit zunächst schwerster Verbrechen verdächtigt, dann beschuldigt. Angeblich ohne triftigen Grund. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn deswegen angeklagt. Angeblich ohne handfeste Beweise. Das Düsseldorfer Schwurgericht hatte ihn dafür verurteilt. Angeblich ein himmelschreiender Justizirrtum. Man hatte ihn deshalb die Hälfte seines Lebens hinter hohen Gefängnismauern verschwinden lassen, seine bürgerliche Existenz ausgelöscht. Angeblich zu Unrecht. Obendrein hatte sich seine Frau von ihm abgewandt, seine beiden Töchter auch. Dieser Mann hatte alles verloren, ihm war alles genommen worden. Tatsächlich. Er wollte Opfer und nicht Täter gewesen sein – von zwei läppischen Hühnerdiebstählen einmal abgesehen. Aber er beschwerte sich nicht. Kein Wort des Zorns, kein Reklamieren, kein Nachkarten. Er verhielt sich vielmehr so, als seien diese schwersten Schicksalsschläge einem anderen widerfahren, als sei das Leben eines Dritten zerstört worden.
    Jede weitere Diskussion erschien mir daher zwecklos. Was Generationen von Kriminalisten, Juristen, Psychologen, Psychiatern, Bewährungshelfern und Sozialpädagogen nicht gelungen war, würde auch jetzt nicht zu bewerkstelligen sein. Es erschien aussichtslos. Dennoch wollte ich Gewissheit. Und darum sollte er mir nur noch diese eine Frage beantworten: »Warum können Sie nicht hassen?« Er nahm den Kopf etwas zur Seite und schien kurz zu überlegen. Dann fragte er unschlüssig zurück: »Wen denn?«
    Zehn Minuten später saß ich in meinem Auto und schrieb in Stichworten ein Gedächtnisprotokoll. Ich musste noch lange über seine letzte Antwort nachdenken: »Wen denn?«

Epilog
    Die Düsseldorfer »Liebespaar-Morde« sind bis heute juristisch nicht aufgeklärt, nicht gesühnt worden. Gleiches gilt für die Tötungsdelikte an Ursula Glatzek und Otto Brennecke, verübt am 9. Februar 1958 in Opladen, knapp 20 Kilometer von der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens entfernt. Die Opfer konnten nie beerdigt werden, ihre Leichen blieben unauffindbar. Ein hässliches Drama. Ein quälender, unerträglicher Zustand – der oder die Mörder haben sich ihrer gerechten Strafe entziehen können. Bisher. Auch Erwin Reichenstein, sollte er an den Düsseldorfer Verbrechen beteiligt gewesen sein. Er wurde »aus Mangel an Beweisen« am 14. Dezember 1959 freigesprochen.
    Im Verfahren vor dem Düsseldorfer Schwurgericht wurde der Doppelmord von Opladen kurzerhand ausgeklammert, das Gericht erklärte sich für »nicht zuständig«. Deshalb musste auch nicht geprüft werden, ob die Düsseldorfer Pärchen-Morde und die Tat im Nachbarstädtchen von demselben Täter verübt worden waren. Dabei wäre ein mögliches Ergebnis dieser Begutachtung ganz sicher auch für den »Liebespaarmord-Prozeß« von Bedeutung gewesen – wenn Gutachter nämlich zu der sicheren Erkenntnis gelangt wären, dass ein Serienmörder Lieselotte Ingensandt und Wilfried Mehnert und Helga Kortmann und Peter Seiffert und Ursula Glatzek und Otto Brennecke getötet hatte. Denn dann hätten die Beschuldigungen gegen Erwin Reichenstein sich als haltlos erwiesen, weil er für den letzten Doppelmord ein bombensicheres Alibi hatte: Untersuchungshaft.
    Um eine Serientäterschaft annehmen oder feststellen zu können, stehen dem Kriminalisten mehrere Methoden zur Verfügung. Zunächst das so genannte Modus-Operandi- System. Demzufolge ist zu prüfen, ob einzelne Tathandlungssequenzen oder Rahmenbedingungen bei verschiedenen Verbrechen den Modus Operandi desselben Täters abbilden.
    Das Kriminalistik Lexikon definiert den Begriff des Modus Operandi als »Art und Weise der Begehung von Straftaten und anderen kriminalistisch relevanten Handlungen, einschließlich ihrer Verschleierung sowie der angewandten Mittel und Methoden in den jeweiligen räumlichen, zeitlichen und sozialen Bezügen«. Die Tathandlungen basieren demnach auf rationalen Überlegungen und Entscheidungen, die ausnahmslos instrumentell, strategisch, pragmatisch ausgerichtet sind. Versatzstücke der Tatbegehungsweise sind also: Tatort, Tatzeit, Opfertyp, Tatwaffe, die Art des Zugangs zum Tatort, die Art der Annäherung an das Opfer, die Art des Gewinnens von Kontrolle über das Opfer, Mittäter, spezielle Begleithandlungen (zum Beispiel Feuer legen oder den Wachhund vergiften). Die Ziele:

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