Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
gelang es der Kripo schließlich, einen Verdächtigen zu präsentieren. Und Ende des Jahres 1959 konnte dieser Mann endlich angeklagt werden. Der sechswöchige Prozess entwickelte sich zu einem echten Gerichtsthriller, über dessen Inhalt und Ausgang auch heute noch kontrovers diskutiert wird. Lüge und Wahrheit, Fiktion und Realität bildeten ein kaum zu durchdringendes Geflecht. Am Ende stand ein umstrittenes Urteil.
Die Düsseldorfer »Liebespaar-Morde« sind bis heute einzigartig geblieben – und mysteriös. Eine vergleichbare Mordserie hat sich in Deutschland bisher nicht ereignet. Der Täter kreierte überdies eine bis dahin vollkommen unbekannte Deliktsgattung: den todbringenden Angriff auf junge Menschen, die sich unter dem vermeintlichen Schutz der Einsamkeit in ihren Autos liebten. Das macht diese kaltblütigen Verbrechen besonders brutal und ruchlos. Auch deshalb erscheint es geboten, diese verhängnisvollen Ereignisse zu dokumentieren und näher zu beleuchten. Und vor alledem: Welcher Mensch war zu so etwas fähig?
Stephan Harbort
Düsseldorf, im Oktober 2004
»Was dem Außenstehenden wie blinde Vernichtungswut erscheint,
wie die Tollheit des Hundes, der sich in die Beute verbeißt,
ist in Wahrheit ein Zustand absoluter Gegenwart.
In höchster Erregung kennt der Geist nur noch das Jetzt,
keine Vergangenheit und keine Zukunft, keine Erinnerung und
keine Erwartung.
Überwach registriert er alles, was um ihn geschieht, jede Bewegung,
jeden Fluchtversuch, jeden Gegenangriff.
In der Aktion ist der Berserker weder benommen
noch blind oder taub.
Das Gegenteil ist der Fall. Der Täter ist extrem konzentriert,
seine Sinne sind geschärft, die Fasern zum Zerreißen gespannt.
Hand und Auge werden eins, verschmelzen in derselben Bewegung.
Wenn die Barrieren fallen, erfaßt und zerstört das Ich
die gesamte Welt.
Nichts hält den Mörder auf, triumphierend läßt er sich
selbst hinter sich.
Das alte Ich verlöscht, die Tat befreit von jahrelanger Angst
und bohrendem Haß.«
Wolfgang Sofsky, Zeiten des Schreckens
»Unter einem dünnen Lack von Zivilisation
steckt in jedem Menschen eine Rotte von Mördern.«
Siegmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur
Die geschilderten Ereignisse sind authentisch. Als Quellen für die Rekonstruktion und Dokumentation dienten die Urteilsschrift des Schwurgerichts Düsseldorf (Aktenzeichen II 189/57 S 2 Ks 1/59), Tatortbefundberichte, Obduktionsprotokolle, forensische Gutachten, Prozessaufzeichnungen, glaubwürdige Presseberichte und Gedächtnisprotokolle persönlich geführter Interviews. Ich habe alle Ereignisorte aufgesucht, um mir vor Ort ein Bild zu machen. Die in wörtlicher Rede oder als Dialog wiedergegebenen Sequenzen wurden den genannten Quellen entnommen oder sinngemäß dargestellt. In seltenen Fällen habe ich mir literarische Freiheiten gestattet – ohne dabei den Wahrheitsgehalt im Kern zu verfälschen. Die Namen einiger Personen sind zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte geändert worden.
Prolog
Was hab ich denn schon vom Leben gehabt! Malocht hab ich, mich abgemüht. Und der Lohn? Den haben die anderen kassiert. Diese Bonzen. Kapitalisten. Schmarotzer! Mir kann keiner das Wasser reichen – die schon gar nicht. Verrecken sollen sie, an ihrem Geld ersticken! Was MIR zusteht? Eine Traumvilla, ein Palast, ein Hollywood-Haus mit Schwimmbad, Park, Rennstall, Rolls-Royce und Mercedes. Mindestens. Und was ist? In den Knast haben sie mich gesteckt. Muss mich jetzt jeden Tag abstrampeln, muss mich rumkommandieren lassen. Man hat mir doch keine Chance gelassen! Bin immer nur getreten worden. Und niemand hat mir geholfen. NIEMAND! Was ich daraus gelernt hab? Mit ehrlichen Mitteln wird man niemals reich. Das Badezimmer ganz aus Marmor, die Wasserhähne vergoldet. JA! Wenn ich einen von denen in die Finger krieg, dann knall ich ihn ab! Ich hasse euch! Und die Weiber, sind nur scharf auf die Kohle. Verdammt! Sitzen in ihren Nobelkarossen und glotzen blöd. Und unsereins leidet wie ein Hund. Das wird jetzt anders. Ich komm raus. Jetzt bin ich dran. ICH! Ihr werdet mich kennenlernen. Ihr werdet mich fürchten. Ich werde euer Albtraum!
I. Februar 1953 – November 1956
1
Mittwoch, 7. Februar 1953, 22.51 Uhr.
Der Mann hielt sich die linke Hand vor den Mund, ihm war übel. Das nur noch schwache Licht seiner Taschenlampe fiel auf den weißbräunlichen Boden. Die Pistole steckte jetzt in seiner rechten Manteltasche. Er konnte den Anblick nicht mehr ertragen. Mit allem hatte
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