Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
Hände auf den Kopf!«
Wie ein riesiger Pilz wuchs mit einem Mal eine Gestalt aus dem Gestrüpp. Ein junger Mann im Overall, etwas blass um die Nase. Er wirkte überrascht und erschrocken zugleich. Der Mann bewegte sich geschmeidig, sein Gesicht wirkte Vertrauen erweckend. Spath war ernüchtert, ein wenig enttäuscht. So sieht doch kein Mörder aus!, dachte er.
»Was machen Sie hier?«
Der Mann überlegte kurz. »Ich gehe spazieren.«
»Raus mit der Sprache!«
Der Fremde zog ironisch die Mundwinkel zusammen: »Sie halten mich wohl für einen Wilderer?«
»Kann schon sein …«
»Dann müsste ich aber eine Waffe haben«, erwiderte der Mann. »Wollen Sie mich nicht untersuchen?«
»Später, junger Mann, alles zu seiner Zeit«, antwortete Spath barsch. »Erst mal bringe ich Sie auf die Polizeiwache. Wenn Sie nichts ausgefressen haben, dann haben Sie ja auch nichts zu befürchten.«
Spath zog seine Pistole aus der Tasche und hängte sich die Drillingsbüchse wieder um die Schulter. Dann winkte er mit dem Kopf zur Straße nach Osterath. »Hier lang!« Und damit der Fremde nicht auf falsche Gedanken kam, fügte er sehr amtlich hinzu: »Sollten Sie einen Fluchtversuch unternehmen, so sehe ich mich genötigt, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.«
Erst auf dem Feldweg erlaubte Spath dem Mann, seine hinter dem Kopf verschränkten Arme zu lösen. Trotz erhöhter Wachsamkeit entging dem Förster ein Versuch des Fremden, einen Gegenstand unauffällig aus der Hosentasche zu schieben, ohne dabei die Hand in die Tasche zu stecken. Aber das Ding war sperrig, es blieb am Rand der Tasche hängen. Noch ehe der Gefangene danach schnappen konnte, griff Spath zu. Es war ein mit Patronen gefülltes Pistolenmagazin.
»Woher haben Sie das?«
»Gefunden«, antwortete der Mann kurz angebunden.
An der Bundesstraße 9 hielt Spath einen Motorradfahrer an: »Schicken Sie mir bitte einen Streifenwagen aus Osterath. Sagen Sie auf der Polizei, Förster Spath hätte einen Verdächtigen festgenommen.« Der Motorradfahrer nickte und fuhr los.
Zehn Minuten später traf ein Streifenwagen ein. Spath erzählte den Beamten, was passiert war. »Wahrscheinlich ist das Motorrad gestohlen«, mutmaßte er. »Außerdem hat der Kerl versucht, ganz unauffällig dieses Magazin fallen zu lassen.« Spath übergab das Magazin.
»Das ist alles nicht wahr!«, echauffierte sich der Mann. »Der Förster will mir nur etwas in die Schuhe schieben!«
Die Polizisten ließen Handschellen um die Gelenke des Verdächtigen schnappen und durchsuchten seine Taschen. Doch eine Waffe trug der Mann nicht bei sich. »Das besprechen wir in Ruhe auf der Wache«, erklärte einer der Beamten. Der Verdächtige wurde abgeführt.
24
Die beiden Dorfpolizisten waren nochmals in den Wald gefahren – und dort auch fündig geworden. Der Förster sollte mit seiner Vermutung recht behalten. Sechs Meter von der Stelle entfernt, an der Spath den Verdächtigen aufgespürt hatte, war im Unterholz eine Pistole gefunden worden. Die Feststellung der Personalien hatte unterdessen ergeben: Der Mann hieß Erwin Reichenstein, geboren am 7. Juni 1928 in Düsseldorf, wohnhaft Knechtstedenstraße 37, Düsseldorf.
Noch am selben Abend wurde Reichenstein auf Weisung der Mordkommission ins Düsseldorfer Präsidium gebracht. Franz Pöllinger zog eine erste Bilanz: Der 28-Jährige war unter dubiosen Umständen im Wald festgenommen worden. Er hatte zudem ein Motorrad versteckt, das vier Wochen vorher gestohlen worden war. Und der Mann hatte sich an ein Liebespaar herangepirscht, es offenbar belauscht – und dabei eine geladene 9-mm-Pistole mitgeführt. Pöllinger war überzeugt, dass sie es mit einem Mann zu tun hatten, der keineswegs in die Kategorie »harmloser Wilderer« einzuordnen war. Hatte Reichenstein sich an die jungen Leute herangeschlichen, um sie zu überfallen – und zu ermorden?
Um mehr über den Mann zu erfahren, wurde auch seine kriminelle Vergangenheit ausgelotet. Das Vorstrafenregister wies drei Einträge aus:
»a) Am 28. 7. 1948 wurde R. durch das Schöffengericht Hannover zu 3 Wochen Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft wegen eines Vergehens gegen das Währungsgesetz verurteilt (21 Ms 80/48 StA Hannover), weil er Rentenmarkscheine im Nennwert von 7500,– RM unerlaubt aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet in die britische Besatzungszone eingeführt hatte.
b) Durch Urteil des Schöffengerichts Düsseldorf vom 6. 11. 1951 (12 Ms 96/51) wurde er wegen
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