Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
fortgesetzten gemeinschaftlichen schweren Diebstahls, begangen in Tateinheit mit dem Vergehen der Störung der Totenruhe, zu neun Monaten Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft verurteilt. R. war mit einem Bekannten in der Zeit von März bis Juli 1951 wiederholt über die Umzäunung des Nordfriedhofs in Düsseldorf gestiegen und hatte von Gräbern Metallteile, unter anderem Grabketten, entwendet. Die Strafe verbüßte R. bis zum 17. 4. 1952.
c) Am 7. 1. 1954 wurde R. durch das Amtsgericht Düsseldorf wegen unbefugten Waffenbesitzes mit einer Geldstrafe von 100,– DM, ersatzweise für je 5,– DM ein Tag Gefängnis, bestraft (52 Ds 226/53), weil er unerlaubt im Besitz von 3 Kleinkalibergewehren und einer Pistole gewesen war. Die Strafe hat R. in mehreren Teilbeträgen bis März 1955 bezahlt.«
Allerdings lasen sich diese amtlichen Mitteilungen wie die eines typischen Gelegenheitskriminellen, der verbrecherische Habitus eines Serienkillers war nicht auszumachen. Und auch sonst passte dieser Mann nur bedingt in jene Schablone X, die den »Liebespaar-Mörder« beschreiben und charakterisieren sollte: Reichenstein malochte als Metallarbeiter, war verheiratet, hatte zwei kleine Kinder.
Doch Pöllinger hatte Blut geleckt; allein die Tatsache, dass Reichenstein sich mit einer durchgeladenen Pistole an ein Liebespaar in einem Auto herangemacht hatte, genügte ihm, um diesen Mann ins Visier zu nehmen. Für den nächsten Tag ordnete der Kommissar eine intensive Absuche des Waldgebietes bei Meererbusch und eine Durchsuchung des Reichenstein’schen Wohnsitzes an. Und tatsächlich stießen die Ermittler im Wald, in der 3-Zimmer-Wohnung des Verdächtigen und im Keller des Hauses auf Dinge, die ganz und gar nicht zu dem behaupteten »rechtschaffenen Bürger« passen wollten.
Pöllinger war geradezu euphorisch. »Wenn das der Liebespaar-Mörder ist, werden wir es ja bald wissen«, frohlockte er in einer Dienstbesprechung. Doch schon bei der ersten Vernehmung erlebten die Fahnder eine herbe Enttäuschung – Reichenstein stritt einfach alles ab. Motorrad und Pistole wollte er »nie zuvor« gesehen haben. Und das Magazin in seinem Hosenbund hatte er »kurz vorher im Wald gefunden«.
Dass die Kripo ihn mit den Doppelmorden in Verbindung brachte, wurde Reichenstein verschwiegen. Man hatte noch nicht genug in der Hand, um ihn festnageln zu können. Und ohne handfeste Beweise würde ihm nicht beizukommen sein. Erstmals wich der Verdächtige einen Schritt zurück, als die Mordkommission die Aussage eines Zeugen präsentieren konnte, der bestätigte, dass die im Wald gefundene Pistole Reichenstein gehört hatte. Jetzt gab er folgende Darstellung: Er sei in den Forst von Meererbusch gefahren, weil er dort vor Jahren eine Pistole versteckt habe. Von wem er diese Pistole habe, daran könne er sich nicht mehr erinnern. Er habe die Pistole lediglich nach Hause bringen wollen. Dabei sei er zufällig auf den Wagen mit dem Liebespaar gestoßen. Und er habe sich an das Auto nur herangeschlichen, um nachzusehen, was der Wagen da zu suchen habe. Das Motorrad und die Zeltplane habe er gefunden. Er habe das Motorrad später zur Polizei bringen wollen.
Die vernehmenden Kriminalbeamten erkannten zeitig, dass ihnen ein außergewöhnlicher Gegner gegenübersaß: intelligent, wachsam, beharrlich, verschlagen, vorsichtig, angriffslustig. Der muskulöse, drahtige passionierte Judo-Kämpfer wusste auch Worte wie Totschläger zu gebrauchen – wenn es ihm passend und notwendig erschien. Dann drohte er mit einem hämischen Grinsen: »Diese Frage möchte ich Ihnen lieber beantworten, wenn wir uns einmal draußen begegnen.«
Verblüffend war zudem die gewandte Ausdrucksweise, seine gewählten Formulierungen, juristisch durchaus beachtliche Winkelzüge und auch die Unverfrorenheit, mit der Reichenstein die Beamten düpierte: »Herr Kommissar, ich protestiere gegen diese Art der Fragestellung! Das ist psychologische Beeinflussung. Sie wissen selbst, dass das unzulässig ist.«
Oder: »Ich bestehe darauf, dass meine Aussage sofort mit der Schreibmaschine mitgeschrieben wird. Das steht mir gesetzlich zu.«
Oder: »Ich weiß genau, worauf Sie hinauswollen. Aber den Gefallen tue ich Ihnen nicht. Ich werde Sie für diese unverschämte Unterstellung noch einmal zur Rechenschaft ziehen!«
Und immer wieder: »Sie wollen mir wohl etwas in die Schuhe schieben?«
Reichenstein war erstaunlich gut über die Rechte eines Untersuchungsgefangenen informiert.
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