Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
ist, scheidet hier die Tat zur Auswertung aus.
Der festgenommene Erwin Reichenstein gestaltet seine Vernehmung durch Schweigen und Leugnen äußerst schwierig. Sein Verhalten macht ihn durchaus besonders verdächtig. Hat er nichts oder nur unbedeutende Handlungen zu verbergen, dann ist es unbegreiflich, daß er in dieser Situation in Kenntnis der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht alles klarlegt.
Der Sachverhalt, der sich nach der Inhaftnahme des Erwin Reichenstein ergab, ist bis jetzt (am 22.6.1956) folgender:
Nach intensivem Leugnen mußte Reichenstein zugeben, daß er vor seiner Festnahme durch den Förster Sp. eine 9-mm-Pistole, Marke P 38, im Waldboden versteckt hatte. Die Pistole mit zwei Magazinen und 16 Schuß wurde gefunden.
Die Haussuchung bei R. brachte eine Kleinkaliberbüchse, eine Luftpistole, Teile für den Zusammenbau von zwei Maschinenpistolen und eine große Menge zum Teil äußerst gefährlicher Chemikalien zum Vorschein.
Im tiefsten Walddickicht wurden sein Fahrrad und seine Aktentasche u. a. mit einem 5,6-mm-Gewehrlauf und Munition gefunden. Durch intensive Suche war es der Kripo ferner möglich, an einer besonders verborgenen Stelle im Wald eine im Waldboden vergrabene große Milchkanne zu finden. Sie beinhaltete u. a. eine Selbstladepistole, 9 mm, mit eingeschobenem gefülltem Magazin, den Schaft einer Kleinkaliberbüchse und zahlreiche verschiedene Munition. Diese Waffen gehören nachweisbar dem E. R.
In der Nähe der Festnahmestelle wurde ein fahrbereites Motorrad gefunden, das der verdächtige R. zu tarnen sich bemühte. Das Motorrad war etwa vier Wochen zuvor in Düsseldorf bei einem Einbruch gestohlen worden. Nicht weit hiervon wurde eine Zeltplane gefunden, die zum Abdecken eines Motorrades diente. Diese Zeltplane war vor etwa 14 Tagen in Düsseldorf-Büderich gestohlen worden.
Reichenstein äußert sich zum Gesamtvorgang soweit, daß er haltlose Ausführungen macht und alle gegen ihn sprechenden Momente auf unglückselige Zusammenkettung von Zufällen zurückführt. Er lügt und erschwert hartnäckig die Aufklärung. Ob er dies tut, weil er glaubt, daß allein diese Methode seine etwaige Überführung als Täter der Doppelmorde unmöglich machen kann, werden erst die nächsten Wochen erweisen.«
Am 6. November 1956 stand Erwin Reichenstein vor Gericht. Er wurde zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt – wegen »Diebstahls, unerlaubten Waffenbesitzes und Hausfriedensbruchs«. Reichenstein gab sich äußerlich gelassen. Und er lächelte nur spöttisch, als ihn der Richter mit den Worten charakterisierte: »Der Angeklagte ist eine undurchsichtige Persönlichkeit, die ohne Gefühlsregung zu allem fähig ist.«
Als der Verurteilte in seine Zelle abgeführt wurde, lächelte er noch immer. Die erste Runde war nämlich an ihn gegangen. Die Kripo hatte ihm lediglich die Bagatelldelikte nachweisen können, die sich um die im Meererbusch gefundenen Dinge rankten. Die Staatsanwaltschaft hatte wohlweislich auf eine Anklage der Liebespaar-Morde verzichtet. Man hegte lediglich einen Verdacht und hatte nicht mehr als einige schwache Indizien.
Noch am Tag der Urteilsverkündung schrieb er seiner Frau:
»Mein liebes Frauchen, meine lieben Racker.
Herzlich grüßt Euch und in der Hoffnung, daß Ihr Lieben gesund seid, Euer Pappi. Daß Eure Post mich nicht erreicht, werdet Ihr wohl wissen. Ich denke mir aber, daß Ihr zurechtkommt und Ihr Euch bei der lieben Oma Martha wohlfühlt. Meine Mutter hat mir kürzlich Wäsche gebracht und gebrauchte mitgenommen. Da ich hier ganz ohne Kalender auskommen muß, so erlaubt mir, nachträglich noch herzliche Wünsche für Dich, liebes Häschen und auch für Oma Martha zum Geburtstag. Um mich braucht Ihr Lieben Euch nicht zu sorgen. Es wird sich alles zum Guten aufklären und dann ist Euer Pappi bald wieder bei Euch. Herzlichen Gruß und viel Küßchen
Euer lieber Pappi.
P. S.: Ich hoffe, unsere beiden Racker machen sich gut und sind schön brav. Euer Brief mit Bild war der letzte den ich erhielt (im September).
Viele Grüße an Oma u. Opa.«
Nicht nur in Kreisen der Ermittler fragte man sich: Schreibt so ein gefühlsarmer und kaltblütiger Serienkiller? Und auch die Düsseldorfer Tageszeitungen gaben sich skeptisch: »Falscher ›Liebespaar-Mörder‹ wandert ins Gefängnis« – »Reichenstein kein Doppelmörder« – »Morde an Liebespärchen weiter ungeklärt«.
Der Kripo blieben jetzt nur sechs Monate Zeit, bis Reichenstein wieder frei sein würde.
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