Der Liebespakt
nachdenklich an ihrem breiten Ehering. »Ich finde es immer noch richtig.«
»Sag mal, was ist denn das mit dieser ›Gartenlaube‹? Die stand doch bei unserer Oma im Regal, oder?«, fragte Alice ihre Schwester.
Ellen nickte. »Ziemlich muffig. Unglaublich bieder.«
»Total reaktionäres Frauenbild«, murmelte Margot.
Shirin schüttete eine neue Runde Schnaps ein.
»Ich hätte ja auch nicht gedacht, dass ich so was mal lese. Klar, es ist hundert Jahre alt und nicht mehr unsere Sprache. Aber diese Liebesromane sind viel anrührender, als ich erwartet hätte«, verteidigte sich Toni.
»Lass dich nicht von denen verrückt machen«, sprang ihr Shirin, die gerade den Schnaps zukorkte, unerwartet zur Seite. Anders als die anderen Freundinnen kannte sie sich ganz gut im 19. Jahrhundert aus - manche ihrer künstlerischen Vorbilder stammten aus der Zeit. »›Die Gartenlaube‹ wurde von einem lupenreinen 1-a-Demokraten gegründet, der nach der 1848er Revolution im Gefängnis gesessen hatte, weil er an Freiheit und Gleichheit glaubte. Und er hat viele Autorinnen populär gemacht, denn dieses Blatt lebte von schreibenden Frauen. Das hatte vorher noch keine Zeitschrift gewagt.«
»›Die Gartenlaube‹ war also das ›Sex and the City‹ des 19. Jahrhunderts«, witzelte Alice.
»Könnte man so sagen«, antwortete Shirin.
»Sex mit viel Spitze, Korsetts, Haken und Ösen«, giggelte Ellen.
»Und Strumpfbändern«, kicherte Alice.
»Sag mal«, unterbrach Margot, die für Strumpfbänder nichts übrighatte, »was war das mit dieser Stillhaltevereinbarung? Er kauft dich, damit du in den nächsten Wochen den Mund
hältst und weiter so tust, als sei nichts gewesen. Stimmt das wirklich?«
Toni nickte. Was gab es dazu noch zu sagen?
Plötzlich wurde auch Ellen, die Juristin, hellhörig. Sie war inzwischen zur Teilhaberin einer gut gehenden Kanzlei aufgestiegen. »Hast du irgendetwas Schriftliches?«
Toni griff nach ihrer Handtasche, einem riesigen sackartigen Gebilde aus karamellfarbenem Leder, suchte eine Weile, bis sie in der hintersten Ecke ihr großes schwarzes Portemonnaie fand, und zog daraus den karierten Zettel hervor. Sie hatte ihn schon hundertfach auf- und wieder zugefaltet, dementsprechend abgegriffen sah er aus. Ellen verdrehte die Augen, als Toni ihr das Schriftstück gab.
» Dieses Schmierblatt ist eure Vereinbarung?«, fragte sie entsetzt. Toni nickte entschuldigend. »Schon mal was von Notar und ordentlichen Verträgen gehört?«, murmelte Ellen und faltete den Zettel auf. Dann las sie die Zahl.
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte sie zu Toni. Sie sah jetzt wirklich wütend aus.
Alice nahm ihrer Zwillingsschwester den Zettel aus der Hand. Er machte die Runde.
»25 000 Euro? Der Mann steht kurz davor, Vorstandschef eines globalen Konzerns zu werden. Und du - niemand sonst - machst ihm das möglich. Ohne dich könnte er einpacken. Das belohnt er mit 25 000 Euro? Das ist Hohn, Toni! Weißt du denn nicht, wie viel er nach der Wahl verdienen wird?« Ellen redete jetzt sehr laut.
»Es geht mir nicht um das Geld. Von mir aus hätte dort auch stehen können, dass er mir einen Kaffee ausgibt. Ich wollte nur Zeit gewinnen.«
»Toni!« Ellen schlug vor Wut mit der Faust auf den Tisch, dass die Gläser sprangen. So etwas war bei ihr noch nie vorgekommen.
»Wie kannst du so naiv sein? Für dich mag es nicht um Geld gehen, für Georg geht es nur um Geld. Geld treibt ihn an. Das mag nicht schön sein, nicht geschmackvoll, aber das ist die Wahrheit. Wenn du willst, dass er dich wieder sieht, dass er dich wieder ernst nimmt, dich wahrnimmt, dann darfst du dich nicht mit so einem Trinkgeld abspeisen lassen. Das macht dich - in seinen Augen - zu einer lächerlichen Figur. Du musst ihn etwas kosten, wenn du für ihn wertvoll sein willst.«
»Ich fürchte, Ellen hat recht. Georg ist ein hervorragender Manager, er macht Verträge wie kein anderer. Du tust dir keinen Gefallen, wenn du dich so billig abspeisen lässt«, bestätigte Alice, die Georg als Wirtschaftsjournalistin beruflich gut von den Jahresbilanzpressekonferenzen kannte.
»Wenn ich mehr gefordert hätte, hätte er mir mehr gegeben. Viel mehr. Georg würde mich nicht über den Tisch ziehen. Er war nie knauserig«, sagte Toni trotzig.
»Er würde dich nicht über den Tisch ziehen? Der Mann hat dich gerade betrogen!«, schrie Ellen. Sie war fassungslos.
»Sie ist einfach so wütend, weil du mit einer der besten Anwältinnen der Stadt befreundet bist und sie
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