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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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erfinden. Er sei auf Geschäftsreise, sie auf Shoppingtour, da sei man an der Hotelbar unerwartet aufeinandergestoßen. Die Welt ist ein Dorf, haha. Toni war blass geworden.
    »Ich kenne jemanden, der ein neues Kunstprojekt im Netz laufen hat«, begann Margot, die immer irgendjemanden kannte, der ein Kunstprojekt im Internet laufen hatte, »es geht darum, sich gegenseitig zu tracken. Dafür braucht man nur die Handynummer des anderen, dann kann man ihn weltweit aufspüren. Hast du die Handynummer dieser Karoline?«
    Toni nickte, sie sprangen alle auf und gingen rüber zu Shirins Computer. Margot gab die Handynummer ein. Eine Weltkugel - die die coole James-Bond-Ästhetik der 60er imitierte - begann sich zu drehen, ein Comic-Flugzeug flog über die Welt, flog von Berlin über Moskau, über Orenburg, über Bijsk, über Ulan-Bator, über Xi’an nach Schanghai. Karoline war in Schanghai, im Lucky-Dragon-Hotel.
    »Jetzt Georg«, sagte Toni und diktierte fast tonlos seine Nummer. Auch sein Handy war angeschaltet und ließ sich problemlos orten. Eine Minute später war klar - er war auch dort. In der Stadt, in dem Hotel - Lucky Dragon.
    Wieder entstand eine Pause. Alle waren jetzt wie benommen. Shirin goss noch eine Runde Schnaps ein. Heute würde niemand mehr pokern. Zum ersten Mal an diesem Abend prosteten sich die Freundinnen zu. »Den Fremdgeher lassen wir nicht so billig davonkommen. Das wird ihn etwas kosten«, rief Ellen entschlossen. Das Glas von vier dickwandigen Schnapsgläsern, mit denen angestoßen wurde, klirrte. Nur Toni stieß
nicht an. Sie hatte gehofft, er würde auf seiner Asien-Reise zur Besinnung kommen. Stattdessen amüsierte er sich mit seiner neuen Flamme. Diese Erkenntnis musste sie erst mal verdauen.
    »Es wird höchste Zeit, dass ich mich wieder in sein Leben einmische. Er muss meine Anwesenheit spüren. Tag für Tag für Tag …«, murmelte Toni und hatte auch schon eine Idee.

6
    Frau Schurz war nun schon seit dreiundzwanzig Jahren Chef-sekretärin und hatte viele Herren im Konzern nach oben und auch nach unten begleitet. Schon deshalb empfand sie Georgs kometenhaften Aufstieg nicht als ganz so einzigartig wie viele seiner Kollegen, besonders die gleichaltrigen. Frau Schurz würde sowieso erst an seinen Durchbruch glauben, wenn er tatsächlich vom Vorstand gewählt worden war. Und ihr war auch klar, dass es, nachdem man die gewonnene Wahl ausgiebig gefeiert hatte, immer darum ging, die nächsten Jahre zu bestehen. So richtig fest im Sattel saß nach ihrer Erfahrung ein Vorstandsvorsitzender erst, wenn er drei, vier jährliche Aktionärsversammlungen erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Und selbst dann konnte eine Ära urplötzlich enden, das sah man ja gerade an Peter von Randow. Wie mächtig war der mal gewesen. Und jetzt? Jetzt machten ihn Jungmanager wie Georg zu einer lächerlichen Figur. Nicht mehr zeitgemäß, lästerten sie hinter seinem Rücken. Und kamen sich selbst ganz auf der Höhe der Zeit vor - nein, mehr als das. Ihrer Zeit voraus. Frau Schurz kannte das Spiel, Randow war nicht anders gewesen.
    Im Moment goss Frau Schurz eine teure asiatische Designerpflanze, die eigentlich von einem noch teureren Hydrokultursystem bewässert werden sollte, aber Frau Schurz, die sich mit Pflanzen gut auskannte, weil ihr kleiner, blühender Eckbalkon ihre ganze Leidenschaft war, hatte der Designerpflanze angesehen,
wie unglücklich sie war. Also hatte sie im Gartencenter eine handliche braune Plastikgießkanne für 99 Cent erstanden, die sie in der untersten Schreibtischschublade versteckte - da, wo früher, in den Zeiten vor Koks, der Wodkanachschub der Manager gelegen hatte. Und wenn sie ganz sicher war, dass ihr Chef Georg Jungbluth telefonierte oder außer Haus war, dann holte sie das Kännchen heraus und goss das teure Stück mit ordinärem Wasser. Seitdem wuchs und gedieh die Pflanze.
    Würde Georg Jungbluth sie jemals mit dieser Gießkanne erwischen, gäbe es Ärger, denn eine Chefsekretärin, die Blumen goss, das war »no go« - das war alte Zeit, total gestrig. »Wir sind doch nicht im Büro von Peter von Randow«, würde er dann sagen und seinen Förderer und Exvorgesetzten noch nachträglich vor der Sekretärin anschwärzen. Im Moment aber war er auf Reisen. Eine Woche Schanghai, ein schwieriger Markt. Georg Jungbluths Tage waren vollgepackt mit Terminen und Meetings. Es würde ein ruhiger Freitag werden, der Chef 8400 Kilometer weit weg, Zeit genug für Blumenpflege.
    Frau Schurz

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