Der Liebespakt
nicht um Rat gefragt hast«, versuchte Alice zu beschwichtigen.
Inzwischen hielt Shirin den Zettel in der Hand und sagte nachdenklich: »Ich glaube, Ellen hat wirklich recht. Dieses Schriftstück ist genauso lächerlich wie die Summe.«
»Häng doch einfach eine Null ran«, sagte Margot trocken. Sie nahm den Zettel und einen Stift. Dann schrieb sie eine Null dazu: 250 000.
»Margot«, schrie Toni entsetzt auf. »Das kannst du doch nicht einfach machen.«
Jetzt nahm Alice ihr Zettel und Stift ab. Eine weitere Null wurde angehängt: 2 500 000.
»Ihr seid blöd!« Toni musste lachen, so sehr, dass ihr bald die
Tränen herunterliefen. Es war halb Lachen, halb Weinen, und auch das mit dem Weinen war halb und halb. Halb Trauer, halb Freude. Halb Georg, halb Pokerrunde. Ja, sie hatte ein paar Freundinnen, die zu ihr standen, auf die sie sich verlassen konnte. Das war viel wert.
»Okay, es ist wahr«, sagte Toni jetzt, nachdem sie sich beruhigt hatte, und versuchte sich den Zettel zu schnappen. »25 000 Euro, das ist zu billig. Georg wollte eh bald mit mir zum Notar gehen, um alles schriftlich festzuhalten. Dann kann ich verhandeln. Würdest du mich begleiten?« Sie schaute Ellen fragend an.
»Mit größtem Vergnügen!«, antwortete ihre Freundin.
Inzwischen hatte Shirin eine weitere Null angehängt und hielt den Zettel stolz hoch: 25 000 000. So viel wie ein italienischer Lotto-Jackpot. Alle mussten lachen. Nur Toni nicht.
»In einem täuscht ihr euch aber«, sagte sie nachdenklich. »Es ist nicht das Geld, was Georg antreibt. Ich kenne ihn. Ich kenne ihn gut. Wenn es hart auf hart käme, würde Georg sein Geld achtlos wegwerfen und gehen und sich nicht einmal danach umdrehen. Er hat Charakter. Er ist anders als diese typischen Managertypen. Er ist kraftvoller, wendiger, entschlossener und weniger kalt. Genau das hat ihn nach oben gebracht. Aber jetzt, an der Spitze, verliert er sein Selbstbewusstsein. Er denkt, ganz oben muss er so sein wie die anderen. Deshalb bändelt er jetzt mit diesem blonden Klon an.«
Alice fragte neugierig: »Mit wem genau hat Georg eigentlich die Affäre?«
»Mit Karoline, der Verlobten eines Vorstandskollegen«, sagte Toni.
»Sehr pikant«, sagte Margot.
»Konzerninzest«, meinte Alice.
»Wie haben die das nur hingekriegt, ohne aufzufliegen?«, fragte Ellen erstaunt.
»Durch uns«, sagte Toni trocken.
Jeden Mittwochabend, pünktlich zur Pokerrunde, hatte sie in Georgs privatem Terminkalender den Eintrag »Fußpflege« gefunden. Der Kalender lag auf seinem Schreibtisch in ihrer Wohnung herum. Ein Tischkalender, in teures Leder gebunden, sie selbst hatte ihn Georg vorletzte Weihnachten geschenkt und erneuerte ihn jährlich. Die Idee war gewesen, dass man die beruflichen Termine besser aufeinander abstimmte - seine Reisen, ihre Reisen. Es hatte nicht funktioniert, der Kalender war weitgehend leer geblieben. Wichtig war bei Georg der elektronische Terminplaner im Büro, den seine unterkühlte Sekretärin führte. Und nun hatte sie doch einen Eintrag entdeckt, säuberlich hineingeschrieben: »20 Uhr Fußpflege«, immer mittwochs. So wie seine Füße aussahen, ging der Mann niemals regelmäßig zur Fußpflege, schon gar nicht wöchentlich. Sie hatte einen Augenblick gestutzt, dann war ihr alles klar gewesen. Im ersten Moment war sie fast ein wenig gerührt, dass Georg seinen Seitensprung so gewissenhaft mit ihrer Pokerplanung abstimmte. Es zeigte, dass er sie nicht völlig vor den Kopf hatte stoßen wollen und zumindest eine Zeit lang versucht hatte, seine Affäre vor ihr zu verbergen. Jetzt, wo sie alles wusste, musste er sich diese Mühe nicht mehr machen, aber vermutlich hielten sie wegen Karoline an dem Termin fest. Was die wohl Tom erzählte, wohin sie mittwochs immer ging? Pilates? Power-Yoga?
»Schnackseln die jetzt auch gerade?«, fragte Margot erstaunt.
»Nein. Georg ist nach Schanghai geflogen. Er kommt erst in fünf Tagen zurück.«
»Und sie?«, fragte Alice lauernd.
»Vielleicht hat er sie mitgenommen«, sagte Ellen vorsichtig.
Daran hatte Toni nicht gedacht. Nein, sie schüttelte den Kopf, das wäre viel zu gefährlich. Obwohl - man musste ja nicht gerade im Flugzeug nebeneinandersitzen, sondern flog
an verschiedenen Tagen. Im Hotel buchte man Zimmer auf unterschiedlichen Etagen. Die Wahrscheinlichkeit aufzufliegen war nicht sehr groß. Wen traf man schon zufällig in Schanghai? Und stieß man doch mal auf ein bekanntes Gesicht, ließ sich eine Geschichte schnell
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