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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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hatte. Dass sie ihm alles bot, was er eigentlich suchte. Nie war sie seicht gewesen, sondern er verbohrt und arrogant.
    »Er hat sie erkannt«, hörte Toni sich murmeln, als sie den Band zur Seite legte, und sie musste zugeben, ihre Stimme war gerührt. Nun ja, versuchte sie sich ihre Rührung zu erklären, wer Liebeskummer hat, der braucht eben eine Menge Taschentücher, wenn er sich einen Liebesfilm anschaut. Doch der Satz kehrte zurück: Er hat sie erkannt. Er ließ sich nicht so einfach vertreiben mit ein bisschen Selbstironie. Er hat sie erkannt. Toni ging im Licht der teuren Halogenspots zum Kühlschrank und holte eine neue Flasche Champagner heraus. Sie schenkte sich ein, kehrte zu ihrem Leseplatz zurück und griff nach der nächsten gebundenen »Gartenlaube«. Dieser erste Roman war so überraschend anrührend gewesen. Es war wie mit dem Champagner. Jetzt wollte sie mehr davon.

5
    Das Atelier von Shirin sah so aus, wie sich alle Welt Berlin vorstellte: Es lag in dem verwohnten Hinterhof einer ehemaligen Fabrik in Kreuzberg. Vor einigen Jahren hatte sogar noch ein Schornstein in dem Hof gestanden, der war inzwischen abgerissen worden. Shirins Atelier war riesig und erinnerte an einen Rohbau, die Wände waren unverputzt, die Decke wurde von Stahlträgern gehalten, die eng vernietet waren, und man lief auf Zementboden. Das Licht fiel durch Oberlichter und große Fabrikfenster herein, die in lauter kleine, gleichmäßige, eisengefasste Quadrate geteilt waren - aber die alten Fenster waren perfekt geputzt, darauf legte Shirin Wert. »Ich brauche Licht«, sagte sie, wenn Besucher darüber Witze machten, »und keine ewige Dämmerung.« Eine Aufgabe ihrer wechselnden Assistenten, die sie sich leisten konnte, seitdem sich ihre Waldbilder so gut verkauften, war ausdrücklich, die Fenster zu putzen. Dafür übernahm sie selbst das Kaffeekochen. Shirin war überzeugt davon, dass niemand im Freundes- und Bekanntenkreis so guten Kaffee kochte wie sie. Es liege ihr im Blut, sagte sie dann. Sie habe das Händchen dafür von ihrem iranischen Vater geerbt.
    Heute Abend war, wie jeden Mittwoch, Pokerabend, mit Shirin, Toni, Margot und den eineiigen Zwillingen Alice und Ellen. Und jede Pokerrunde, egal wo sie stattfand, begann mit einem von Shirin gekochten Kaffee. Er war stark und süß, und es gab irgendetwas, das sie noch hineintat, aber selbst nach all
den Jahren hatte keine der Freundinnen ihr das Geheimnis entlocken können.
    »Spart jede Fernreise«, kommentierte Margot den exotischen Kaffee und krempelte dann entschlossen die Ärmel ihres Shirts hoch, als sei Pokern kein Spiel, sondern harte Arbeit. Vielleicht wollte sie auch nur bedrohlicher wirken, Margots alter Trick. Denn ihre beiden Arme waren über und über mit Hieronymus-Bosch-Tattoos bedeckt, was zumindest Fremde für einen kurzen Moment zurückschrecken ließ. In dieser vertrauten Runde konnte sie damit allerdings kaum beeindrucken. Sie würde trotzdem abgezockt werden.
    Shirin mischte jetzt schweigend die Karten. Hinter ihr stand der Wagen mit den Getränken, ernsthaften Getränken, die man zur Befeuerung eines Pokerspiels braucht. Wer sich fragte, wie viel Muslimin in Shirin steckte und wie viel Katholikin - ihre Mutter stammte aus einem Dorf in der Eifel -, der kriegte von ihren Freundinnen zur Antwort: Beim Kaffeekochen ist sie orientalisch, beim Trinken linksrheinisch. »Bier ist im Kühlschrank«, sagte sie ohne hochzuschauen. Wie immer sah Shirin exotisch schön aus mit ihren langen, kräftigen, tiefschwarzen Haaren und ihren alten iranischen Silberreifen am Arm, die immer gefährlich leise klingelten, wenn sie siegessicher ihr Blatt ausspielte. Eine bestimmte Sorte Männer flog auf sie. Kaum dass sie ein paar Worte mit Shirin gewechselt hatten, bewunderten sie ihren wahnsinnig aufregenden kulturellen Hintergrund, der ja so eine tolle Bereicherung für das spießige Deutschland sei, zu dem ihre Bewunderer selbst natürlich nicht gehörten. Und dann beteuerten sie, wie sehr sie sich immer schon für iranische Kultur interessiert hätten, und ihr einziger Gedanke stand ihnen in Großbuchstaben ins schmachtende Gesicht geschrieben: Wollen wir nicht mal zusammen Persisch üben?
    Toni bemerkte, dass Margot und Shirin sie mehrmals unauffällig
musterten und dabei eher besorgt als neugierig aussahen. Toni war wie von der Bildfläche verschwunden gewesen. Seit der Kündigung vor drei Tagen war sie regelrecht untergetaucht. Sie hatte sich vom übrig gebliebenen

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