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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Wirtschaftsressort mehrere Leute krankgemeldet, daraufhin hatte ihn der stellvertretende Chefredakteur mit den Worten »gute Journalisten können alles« dorthin abgeschoben. Dies war sein dritter Tag in der Wirtschaft, und er hasste den Job schon jetzt. Warum er jetzt zu dem Fototermin mitging? Sebastian wusste es selbst nicht genau. Wahrscheinlich, weil er einfach keine Lust hatte, schon wieder in die Redaktion zurückzukehren. Dort wartete nur Hektik auf ihn.
    »Mit Boulevard kann die Wirtschaft nicht dienen«, sagte Georg kühl, aber nicht wirklich unfreundlich. Daraufhin nahm er wieder das Gespräch mit dem Fotografen auf. Man redete nun über die aktuellen Börsenkurse, der Fotograf klagte langatmig sein Leid, wie viel er in den letzten Jahren an der Börse verloren habe. Georgs Gedanken schweiften ab.
    In der nächsten Woche würde er Toni anrufen müssen, denn das große Betriebs-Osterfest des Konzerns stand an, der traditionelle »Egg Roll«, und sie musste ihn dorthin unbedingt begleiten. Ohne Ehefrau konnte er da nicht auftauchen. Georg spürte eine leichte Unzufriedenheit mit sich selbst. Bei der Sache mit der Unterhose war er womöglich zu weit gegangen. Obwohl - es war Toni. Sie hatte sich bestimmt langsam beruhigt. Vielleicht fand sie das Ganze sogar irgendwie witzig, jetzt, nach einigen Tagen Abstand.
    »Als Kleinanleger werde ich wohl nie reich werden«, sagte gerade der ältere Fotograf zu Georg.
    »Wieso? Sie brauchen nur ein paar Insider-Tipps vom zukünftigen Vorstandsvorsitzenden«, meinte nun der Jungredakteur Sebastian Koch und zeigte auf Georg. Er mochte ja nicht an Wirtschaft interessiert sein, aber »Georg Jungbluth« hatte er vorher doch gegoogelt.
    Alle lachten, auch Georg, der, nachdem er kurz abwesend
gewesen war, nun wieder voll da war. Präsenz - das war das Schlüsselwort. Das hatte ihm ein amerikanischer Coach eingetrichtert. Man musste immer in jedem gegenwärtigen Moment präsent sein. Das sei für einen großen Erfolg unabdingbar.
    Jetzt tauchten links und rechts die ersten hübschen, kindgerechten Wandmalereien an der Tunnelwand auf. Ein Dschungel - Tiger, Giraffe, Nilpferd liefen darin herum. Gleich waren sie da. Auf der Treppe kam ihnen schon die Kindergartenleiterin entgegen. Man würde sie nie als solche erkennen - bei ihrem professionellen Auftreten hätte sie auch die Hedgefondsabteilung leiten können. Ihr war der Erfolg der neuen Kindertagesstätte zu verdanken. Denn nur weil sie immer top informiert war über alle neuen Studien zum Thema »kindliche Frühförderung«, immer offen für Experimente wie einem Mandarin-Kurs für die Kleinen, die irgendwann auch in der chinesischen Geschäftswelt bestehen sollten, oder der Organisation einer Opern-Projektwoche in der Staatsoper Unter den Linden, nur deshalb hatten sich die Eltern aus der obersten Konzernetage bereit erklärt, ihre Kinder auch hier betreuen zu lassen - zusammen mit den Kindern der Sekretärinnen und der Kantinenkräfte. Das Projekt galt im Konzern als revolutionär und war auch nach über sechs Monaten Laufzeit weiterhin umstritten. Besonders, weil die Mütter, deren Männer im Konzernvorstand waren, morgens beim Hausschuhanziehen in der Kita-Garderobe neben den türkischen Müttern standen, die gleich in der Küche der Firmenkantine Kartoffeln schälen und Mohrrüben putzen würden. Frau Wennecker überbrückte die sozialen Extreme so gut sie konnte, versuchte zu besänftigen und zu vermitteln. Es war ihrer Ruhe, Klarheit und Professionalität zu verdanken, dass der Kindergarten bislang funktionierte.
    Georg fand, Frau Wennecker sah für ihre Verhältnisse ungewöhnlich gehetzt, fast ein wenig aufgeregt aus. Komisch, dass
das bisschen Presse sie gleich aus der Ruhe brachte. Es war doch gar kein Fernsehen dabei. Aber Georg hatte schon öfter gemerkt, dass selbst gute Leute beim Kontakt mit den Medien unsicher wurden und ins Schleudern gerieten. Er schenkte ihr ein aufmunterndes, beruhigendes Lächeln.
    »Herr Jungbluth«, begann Frau Wennecker mit drängendem Ton und versuchte, ihn ein wenig zur Seite zu ziehen.
    »Gibt es ein Problem?« Er drehte sich zu den Fotografen um. »Einen Moment, ich komme gleich nach.« Die Herren nickten freundlich und zogen an ihm vorbei in den Kindergarten.
    »Ihre Frau«, stammelte nun Frau Wennecker und sah mit entsetztem Gesichtsausdruck zu, wie die Presse im sonnigen Spielraum der Kita verschwand.
    Georg begriff sofort. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und hetzte den

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