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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Presseleuten hinterher.
    Toni war hier. Aus dem Nichts aufgetaucht nach der Geschichte mit der Autobahnraststätte. Ausgerechnet an diesem Ort, in einem Kindergarten!
    Toni und Kinder, das war ein ganz schlechtes Thema. Er wusste, Toni hatte da noch eine Rechnung mit ihm offen. Kinder, du meine Güte, dachte Georg. Womöglich war ihre Ehe endgültig an dem Tag gescheitert, als er nicht zum Termin in der »Praxis für Fortpflanzungsmedizin« aufgetaucht war. Die Fruchtbarkeitsfabrik - zum wievielten Mal hatte er dorthin gesollt und war nicht erschienen? Zum dritten oder vierten Mal. Er hatte genau gewusst, wie sehr Toni die Besuche zu schaffen machten. Allein dort im Wartezimmer zu sitzen, empfand sie als demütigend. Georg konnte das verstehen. Die Stimmung war bedrückend. Keine der Patientinnen schaute die andere direkt an. Alle Frauen, die dort saßen, taten so, als seien sie in ihre Hochglanzzeitschriften vertieft. Und verkrampften dann innerlich, wenn sie Artikel über irgendwelche Promi-Mütter aufblätterten,
die gerade ihren Nachwuchs geboren hatten: »Kinder zu haben ist das Größte, was einem als Frau passieren kann. Natürlich ist es ein Traum, einen Oscar zu gewinnen. Aber nichts kommt an das Wunder heran, das eigene Kind auf die Welt zu bringen.« So etwas mussten sie, die Gebärunfähigen, dort lesen.
    Ausgerechnet bei diesem letzten Besuch hatte Toni sich vorgenommen, sich zu beschweren. Sie reihte sich damals in die Schlange am Empfangscounter ein, mit der dringenden Bitte, die Sprechstundenhilfen möchten doch Berichte über a) glückliche Promi-Schwangerschaften, b) glückliche Promi-Geburten, c) perfekte postnatale Körperformen und d) Doppelinterviews mit jungen Promi-Eltern aus den Heften entfernen. Ganz diskret, mit einem sehr scharfen Skalpell. Aber als sie dran war, stand sie der hübschen Sprechstundenhilfe gegenüber, die sich so neutral benahm, als sei man zur Magenspiegelung angemeldet. Sie sah so jung, so gesund und so erschreckend fruchtbar aus. Von einer unerklärlichen Scham gepackt, zog sich Toni wortlos zurück, ohne ihren Wunsch vorzutragen, und starrte stattdessen die Eingangstür an, in der Hoffnung, Georg möge endlich wie verabredet kommen. Aber er kam nicht. Er ließ sie dort sitzen, sagte noch nicht einmal ab. Warum? Wenn er ehrlich war: weil er schon damals nicht mehr wollte.
    »Ein zukünftiger Vorstandsvorsitzender kann sich nicht andauernd die Spermien zählen lassen«, sagte er später zu seiner Verteidigung. Um dann noch nachzulegen: »Stell dir vor, die Zahlen dringen nach außen und werden einem Journalisten zugespielt.« Toni hatte sofort die »Bild«-Schlagzeile vor Augen: »Oben top - unten Flop«. Und so würde es weitergehen: »Dieser Mann verdient im Jahr das Zigfache eines einfachen Arbeiters. Aber er besitzt nur ein Drittel seiner Manneskraft. Wer ist glücklicher?« Sie lachte laut auf bei dieser Vorstellung, was
Georg so erzürnte, dass er sie anbrüllte: »Wach endlich auf, Toni. Wir sind nicht mehr irgendwer.«
    Er war in diesem Streit nicht so weit gegangen, ihr zu sagen, dass er sich eine Frau an seiner Seite wünschte, die problemlos schwanger würde. Ganz von selbst, ohne ärztliche Hilfestellung oder zumindest, ohne ihn da mit reinzuziehen. Alle Ehefrauen der Top-Manager hatten Kinder, je mehr, desto besser. Kinder waren das Statussymbol der Wirtschaftselite. Neben mehreren Autos, Vielfliegerkarte, der richtigen Uhr, dem Ferienhaus am prominenten Ort und Bildern der Leipziger Schule an der Wand. Bei den anderen im Vorstand schien das Thema Familienplanung kein Problem zu sein. Nein, er war damals nicht so weit gegangen, ihr das zu sagen. Doch er spürte, wie sehr ihn das Thema nervte. Alles mit Toni war anstrengend, sogar das Kinderkriegen. Sie hatten danach nie wieder über Kinder geredet.
    Und jetzt das. Georg drängelte sich an den Journalisten vorbei.
    Toni saß auf einem Kinderstuhl in der Mitte des Raumes und war von zehn Kindern umringt, die an ihren Lippen hingen. Von draußen fiel das Mittagslicht durch das Fenster und ließ ihr Haar flammend rot aufleuchten, während der Rest ihres Körpers durch das Gegenlicht weichgezeichnet wirkte. Mit dem Oberkörper hatte sie sich leicht zu den Kindern hingebeugt, sie trug heute ein Kleid, das man normalerweise lieber im Schrank hängen ließ, wenn Kontakt mit Kinder bevorstand - ein hellgelbes Empirekleid, das leicht glänzte, weil ein wenig Seide eingewebt war. Weder Toni noch die Kinder hatten Notiz

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