Der Liebespakt
…«, Georg dachte einen Moment nach, »… sagen wir: 50 000 Euro. Das ist doppelt so viel. Und das, obwohl es nur noch acht Wochen bis zur Wahl sind.«
Toni schnappte nach Luft. Das klang nach Geld. Sie legte die Hand auf die Sprechmuschel und sagte flüsternd zu ihrer Pokermädchenrunde: »Er will mir 50 000 Euro zahlen, wenn ich bei der Ehekomödie mitspiele. Soll ich annehmen?«
Alle schienen von der Summe beeindruckt, nur Ellens Ausdruck wurde hart. Sie riss Toni das Handy aus der Hand. »Hier spricht Ellen, ich vertrete jetzt Toni als ihre Anwältin. Wenn du glaubst, du kannst deine Frau mit 50 000 lächerlichen Euros abspeisen, dann hast du dich getäuscht. Du weißt ganz genau, dass ihr Schweigen sehr viel mehr wert ist.« Dann drückte sie Georg weg.
»Und jetzt?«, fragte Toni, die weiterhin in den unbezahlten Klamotten herumstand.
Die Pokerrunde schaute einander betreten an.
»Jetzt bist du so blank wie ich.« Margot begann als Erste zu sprechen.
»Ich könnte dir etwas leihen«, sagte Shirin.
»Wir auch«, meinten die Zwillinge.
»Ick nich, tut mir echt leid«, sagte Margot.
Toni schüttelte den Kopf. »Nein, von euch nehme ich kein Geld. Das hole ich mir von Georg - ob er will oder nicht!« Entschlossen drehte sie sich um und wollte loseilen, da fiel ihr auf, dass sie jetzt eigentlich wieder die alten Sachen hätte anziehen müssen. Doch besonders viel Lust, wieder in Shirins befleckten
Malerkittel zu schlüpfen, hatte sie nicht. Außerdem sah das, was sie anhatte, viel zu gut aus. Sie zeigte an sich herunter: »Könnte eine von euch das Geld für dies hier …«, der Finger wanderte vom Hemdkleid zu den Pumps und wieder hoch, »… auslegen?«
Die Freundinnen nickten, das sei kein Problem.
»Und den Rest der Kleidung einfach zurücklegen lassen. Ich bin gegen Abend wieder da und löse sie aus.« Damit war Toni über die Kaufhausrolltreppe verschwunden.
Fünf Stunden später stand Toni zum zweiten Mal vor dem Konzerngebäude, schaute hinauf zum Büro ihres Mannes und rief Frau Schurz an. Sekunden später klopfte Frau Schurz mit dem Telefon in der Hand an Georgs Bürotür. Ob er bitte an die Scheibe treten könne, ließ sie ihm von seiner Frau ausrichten. Da unten auf der Straße stehe etwas, was er sehen sollte.
Georg stand vom Schreibtisch auf und ging zum Fenster. Was war das jetzt wieder? Eigentlich hatte er gehofft, die Sache sei jetzt erledigt. Die Kontensperrung war eine Kurzschlussreaktion gewesen, er war so wahnsinnig wütend über den sprechenden Hirsch gewesen. Aber nach dem Telefonat mit Toni hatte er sich selbst beglückwünscht. Er hatte gedacht, damit hätte er dem Spuk ein Ende gesetzt. Er hatte sich sogar darüber geärgert, von Toni nicht noch eine Entschuldigung verlangt zu haben.
Die Wahrscheinlichkeit, dass seine Noch-Frau unten auf dem Bürgersteig stand und ein »Verzeih mir«-Plakat hochhielt, war nicht besonders groß. Mit einem mulmigen Gefühl schaute Georg aus dem Fenster. Er sah es gleich. Es war auch nicht zu übersehen.
»Was ist das, um Himmels willen?«, fragte Georg entsetzt. »Dieses knallgelbe Ding, neben dem meine Frau da steht und winkt. Das sieht aus wie ein Briefkasten auf Rädern!«
Frau Schurz horchte ins Telefon. Offensichtlich war Toni noch dran, und tatsächlich sah man von oben, wie sie sich irgendetwas ans Ohr hielt. Frau Schurz nickte mehrmals, hielt dann die Sprechmuschel zu und wandte sich an Georg.
»Ich soll Ihnen sagen, das ist Ihr neuer Kangoo.«
»Mein was!?« Toni winkte unten weiter fröhlich nach oben und machte jetzt stolze ausladende Bewegungen, um Georg zu signalisieren, das sei jetzt ihrer.
»Ihre Frau lässt ausrichten, der Kangoo sei ein ideales Familienauto. Viel geeigneter als der Jaguar. Den habe sie nach der Kontosperrung einem bulgarischen Autohändler in Neukölln verkauft. Sie würden den Mann auch kennen, er sei vor zwei Jahren der Tischherr Ihrer Frau auf der AIDS-Gala gewesen.«
»Verkauft?«, schrie Georg auf. »Einem bulgarischen Autohändler? Ist sie wahnsinnig?«
Frau Schurz wiederholte die Frage in die Sprechmuschel. Sie nickte bei der Antwort. Dann hielt sie die Hand vor die Muschel und wiederholte, was Toni ihr gesagt hatte.
»Sie meint, Sie wüssten genau, warum sie das Auto verkaufen musste. Sie habe ganz dringend Geld gebraucht. Natürlich habe der Bulgare ordentlich den Preis gedrückt, nachdem er von ihrer Notlage wusste. Das neue Auto sei übrigens nur angezahlt, die Rechnung würde mit der
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