Der Liebespakt
Spiel vorher -, den Puck frontal und mit Kraft in das Tor des Gegners zu semmeln. Da hatte er beim Dicken keine Chance. Er arbeitete jetzt über Bande, was viel mehr Einsatz erforderte, inzwischen schwitzte auch Georg, aber es stand jetzt schon 3: 4 für ihn. Sein Kopf war vollkommen leer, er war nur noch Aktion und Reaktion, der Puck schoss über den Tisch, von links nach rechts, wieder nach links, und dort nahm Georg ihn auf, schob ihn in die rechte untere Ecke, hatte den Rückstoß richtig eingeschätzt und schob ihn ins Tor. 3:5.
Die nächsten zwei Tore bis zum Gewinn waren ein Leichtes. Der Dicke kam nicht mehr mit, am Ende war ihm sogar die Kraft ausgegangen. Georg war gespannt, wer als Nächster antreten würde - und musste erstaunt feststellen, dass es ein echtes Milchgesicht war. Normalerweise hätte Georg ihn auf elf oder zwölf geschätzt, aber vermutlich war er schon dreizehn oder vierzehn. Er sah harmlos aus mit seinen dünnen Ärmchen, die, anders als beim Libanesen, noch überhaupt keine Kontur hatten. Der Junge forderte förmlich heraus, dass man ihn unterschätzte. Georg wehrte sich sofort dagegen. Es waren die Augen, die ihn irritierten. Sie waren extrem entschlossen und fokussiert. Und tatsächlich - innerhalb von kurzer Zeit führte das Milchgesicht mit drei Toren. Der Junge war doppelt so schnell wie seine Vorgänger, er schien kaum Kraft zu brauchen, weil er alles mit Geschick machte.
Er dagegen war ungeschickt gewesen, von Anfang an. Er
hätte Toni mehr Geld bieten sollen, sehr viel mehr. So viel, dass sie die Chance hatte, ihre beruflichen Träume zu erfüllen: ein eigenes Büro. Das war es. Damit hätte er sie gleich überzeugen können. War es dafür zu spät? So verrückt, wie Toni gerade war, konnte Georg ihr vermutlich Millionen überschreiben, sie würde nicht zur Vernunft kommen. Ihre Freundinnen, diese Pokerbiester, waren garantiert auch keine Hilfe. Die waren viel zu fasziniert von Tonis Rachefeldzug - im Auto hatte er sie giggeln gehört, als er Toni mit dem Schlappschwanz-Handy in der Hand anbrüllte. Und Ellens barscher Anwaltston gestern hatte ihm überhaupt nicht gefallen. Nein, diese Frauen waren gegen ihn. Sie würden nicht vermitteln.
Unglaublich, war das Milchgesicht schnell. Er war nicht nur geschickt. Es war mehr. Er benutzte sogar Georgs Spielzüge, um selbst ans Ziel zu kommen. Als wüsste er schon Sekunden vorher, wohin Georg spielen würde. Er benutzte die Kraft des Gegners und dessen Schwung, um eigene Tore zu machen - einfach, indem er den Puck im letzten Moment umlenkte. Georg agierte schwitzend und schien doch nur eine Marionette in den Händen des Milchgesichts zu sein.
Das war es. Warum selbst die Drecksarbeit machen? Er wollte, dass Toni aufhörte, ihn zu terrorisieren, und einen Deal mit ihm einging. Seine einzige Chance war, an die professionelle Toni zu appellieren. Wer konnte das besser, als ihr Exchef. Georg wusste natürlich, wie schwierig das Verhältnis zwischen Toni und Anselm war. Würde Anselm Toni infrage stellen und ihre Fähigkeiten als Architektin anzweifeln, dann - und vermutlich nur dann - hatte Georg eine Chance, wieder an Toni heranzukommen. Er musste ihren beruflichen Ehrgeiz wecken. Ihr klarmachen, dass er ihr das Geld geben würde, um sich selbst zu verwirklichen. Über Bande spielen. Sie dazu bringen, ihn anzurufen.
Die beiden Männer - der ganz junge und der deutlich ältere - kämpften jetzt verbissen am Airhockeytisch. Das Spiel zog sich hin, Tore fielen seltener. Georg griff seinen Schieber fester, haute mit einem geschickten Zug den Puck Richtung gegnerisches Tor, doch der prallte haarscharf an der Ecke ab, das Milchgesicht nahm den Schwung auf, spielte rechts-linksrechts, täuschte einen Torschuss an, um dann über Bande auf der anderen Seite einzulochen. Er hatte gewonnen, Georg nickte anerkennend rüber. Der Junge strahlte wie ein Elfjähriger. Fast war Georg versucht, ihn zur Seite zu nehmen. Der Kerl war so schnell, er musste eine überragende Intelligenz haben. Nichts war schlimmer, als als hochbegabtes Kind im Wedding zu versauern - kein Lehrer, keine Eltern würden diese Hochbegabung jemals erkennen, falls es sie überhaupt interessierte. Aber das Milchgesicht war inzwischen in der Clique verschwunden, holte sich seine Schulterklopfer ab und sein »Sauber, Mann«.
Der Turm mit den Münzen hatte sich halbiert.
»Der Rest ist für euch«, sagte er zu den Jugendlichen.
»Danke, Alter«, sagte der Libanese. Man nickte sich
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