Der Liebespakt
Post folgen. Der Kangoo sei aber sehr kostengünstig.«
Toni lief Amok. Anders konnte man es nicht nennen. Sie lief Amok und zerstörte in 48 Stunden sein ganzes Leben. Sie machte ihn öffentlich lächerlich, hängte ihm ein Kind an, schmiss sein Geld zum Fenster hinaus, erlaubte sich üble Scherze mit sprechenden Hirschen - und jetzt hatte sie seinen geliebten Jaguar für einen Spottpreis versetzt. Vor Zorn hämmerte er gegen die Scheibe, die allerdings aus extrem teurem und bruchsicherem Spezialglas war und sich von Georgs Fäusten nicht im
Geringsten erschüttern ließ. Sechzehn Stockwerke tiefer setzte sich seine Frau in das schreiend gelbe Spielzeugauto und drehte lustige Runden über den Besucherparkplatz, so als sei das Ding mit einem riesigen Schlüssel aufgezogen worden. Es war das lächerlichste Auto, das Georg jemals gesehen hatte. Erschöpft ließ er sich auf den Schreibtischstuhl fallen und schaute Tonis wahnsinnigem Treiben zu. Frau Schurz hatte einen letzten mitleidigen Blick auf ihn geworfen und sich dann leise zurückgezogen. Es war still im Büro. Total still. Trotzdem war sich Georg sicher, dass der Hirsch in seinem Rücken lautlos lachte, während er Georg unverwandt anstarrte.
11
Die dreistöckige Spielhalle im Wedding war am nächsten Morgen sein Zufluchtsort. Sie lag direkt an der Hauptstraße, zwischen einem polnischen Dönerimbiss und einem syrischen Telefonladen für internationale Anrufe. Im Imbiss zogen die Männer gerade die Plastikumhüllung von dem frisch angelieferten neuen Dönerspieß - man sah jetzt deutlich die Lagen aus Hack und Fleisch, verschiedene Farbschattierungen von Rosa, Rot und Weiß, aber die Passanten betrachteten nach den vielen Gammelfleischskandalen diese Fleischtürme eher misstrauisch. Vor dem Telefonladen redeten drei ältere Herren im Kaftan mit gehäkelten Käppis auf den Köpfen gestikulierend aufeinander ein. Auf der Straßenseite gegenüber ging die Tür der Kneipe »Zum Glücksklee« schon heftig auf und zu - in dieser Gegend begannen die Ersten schon morgens mit dem Saufen. Die Kneipe bot als Frühstück ein Bier und zwei halbe Mettbrötchen für 1,99 Euro an. Georg drückte die Tür mit der Sonne auf dem Türgriff auf und betrat die dunkle Spielhalle.
Absurd, dass gerade eine Sonne das Symbol dieser Spielhallenkette war. Die Fenster waren ganz mit lichtundurchlässiger Plastikfolie zugeklebt, kein Sonnenstrahl kam je hier herein. Teppich und Wände waren dunkelbraun gehalten, die Lampen hatten höchstens vierzig Watt, sodass eine dämmrige, zwielichtige Atmosphäre entstand. Dazwischen blinkten und tönten die Geldspielautomaten, drei Männer saßen auf Hockern vor
verschiedenen Geräten und fütterten mit großer Monotonie die Geldschlitze. Georg ging zur Thekenkraft, einer mittelalten Osteuropäerin, und wechselte zwanzig Euro. Sie lächelte nicht, er war auch nicht besonders höflich, man sprach nicht viel in diesen Räumen. Wortlos schob sie ihm einen Kaffee mit zwei Konservenmilchdöschen und einer Zuckertüte hin, den er ohne Dank annahm und damit eine Etage höher ging. Hier stand der Airhockeytisch. Ein prächtiges Teil mit Turniermaßen - über zwei Meter lang und 1,20 Meter breit, mit einem hervorragenden Luftdüsensystem, das die Pucks extrem schnell machte.
Er musste nachdenken. Alles lief aus dem Lot. Der Vorstandsvorsitz war sein Ziel während der letzten zwei Jahre gewesen, er hatte hart darauf hingearbeitet und einige Konkurrenten im Lauf der Zeit verdrängt. Jetzt war die Wahl zum Greifen nah, noch lief alles auf ihn hinaus, wenn da nicht Toni wäre. Er musste sie unter Kontrolle kriegen, es waren nur noch acht lächerliche Wochen bis zur Vorstandswahl. Deshalb hatte er Frau Schurz heute Morgen mitgeteilt, er werde sich einen Tag freinehmen. Deshalb stand er jetzt vor dem Airhockeytisch. Es gab keinen Ort, an dem er besser nachdenken konnte.
Schon als Jugendlicher hatte er leidenschaftlich gerne Airhockey gespielt. Er hatte alle Spielhallen in der Umgebung von 50 Kilometern gekannt. Doch mit seinem Aufstieg im Konzern hatte er sich das Spiel mehr oder weniger untersagt. Diese gammligen Spielhallen passten nicht mehr in sein neues Leben. Zwei, drei Jahre hatte er durchgehalten. Jetzt schaffte er es nicht mehr. Seit Wochen tauchte er ab und zu hier auf, niemand wusste davon, seine Sekretärin nicht, auch nicht Karoline, noch nicht mal Toni hatte jemals etwas davon mitgekriegt. Dies war der freieste Ort, der ihm geblieben war. Hier kam
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