Der Liebespakt
allerdings - wenn auch nur formal - wieder mit der Ehefrau zu arrangieren. Das machte die Geliebte verrückt. Die wilden Gefühle der letzten Wochen, die Achterbahnfahrt des privaten Amoklaufs, die Toni so rasend gemacht hatten, sie waren auf Karoline übergesprungen und vergifteten sie langsam innerlich. Ein Teil von Karoline wollte Toni bloßstellen. Obwohl sie wusste, dass sie damit Georg immensen Schaden zufügen würde. Aber das Bild des Eierlaufs, des zusammengebundenen Paares, das harmonisch über die Ziellinie lief und danach noch ein romantisches Duett sang, bei dem alle dahinschmolzen, ging Karoline nicht aus dem Kopf. Die einzige Art, diese Bilder auszulöschen, war, Toni zu demütigen und bloßzustellen. Sie, Karoline, mochte eine Ehebrecherin sein. Aber Toni war eine schamlose Lügnerin.
Doch diese Antwort konnte sie den Damen nicht geben.
Die Ladys des Ladys’ Lunch starrten weiterhin Toni und Karoline an. Diese Runde war eingespielt, alle hier kannten sich lange, man hielt Schweigen aus. Alle würden warten und an ihrem Champagner nippen, bis entweder Toni oder Karoline
antwortete. Woher kam dieses Detailwissen? Das war doch - zu ungewöhnlich.
Da nahm Toni die Hand von Karoline. Liebevoll, mitfühlend. Ihre Stimme war leise, aber gut zu verstehen. »Wir warten beide schon so lange darauf. Bei mir hat es jetzt geklappt. Es tut mir so leid für Karoline.«
Die schaute entsetzt Toni an. Dann sah sie die Augen der anderen Anwesenden, die sie voller Mitgefühl anschauten. Endlich begriff man diese Karoline, die Beate von Randow immer so liebevoll »Küken« nannte, obwohl prämiertes Kampfhuhn wohl der treffendere Kosename wäre. Diese Frau wirkte nach außen so kalt, so schön, so berechnend, aber in Wirklichkeit verzehrte sie sich nach einem Kind. Das erklärte so viel. Die Frauen rückten näher an sie heran, fast als wollten sie Karoline wärmen. Die entzog Toni mit einem Ruck ihre Hand.
»Ich möchte nicht darüber reden«, murmelte sie.
»Du solltest die Maca-Wurzel aus Peru probieren. Alles rein natürlich, ganz pflanzlich. Das soll die Fruchtbarkeit enorm hochtreiben. Und Tom kann das Zeug auch gleich schlucken. Der kommt dann richtig auf Touren«, sagte Ludmilla Bense. Sie konnte selber kaum glauben, dass sie sich traute, so etwas Karoline vorzuschlagen. Vor zehn Minuten noch hätte sie kaum gewagt, irgendein persönliches Wort an sie zu richten. Das war jetzt anders. Es war beruhigend, dass trotz glanzvoller Kulisse - die Arbeit beim Fernsehen, die perfekte, hochgewachsene Figur, die unglaublich schönen blonden Haare - das Schicksal auch eine wie Karoline prüfte.
»Oder du machst dir einen Brennnessel-Salat. Brennnesseln sollen auch helfen«, schlug jetzt Lilly Putkammer vor.
»Das habe ich leider alles nicht da. Es finden sich weder Brennnesseln noch Maca-Wurzeln auf dem Buffet. Aber eins kann ich dir doch bieten.« Beate von Randow winkte einen
Kellner heran. »Ein Hefeweizen für die junge Frau, bitte.« Gerade versuchte Karoline zu protestieren, aber Beate von Randow ließ keinen Einspruch gelten. »Hopfen hilft. Das war schon immer fruchtbarkeitsfördernd. Trink ein Bier am Tag, am besten ein Hefeweizen, du wirst sehen, du bist im Nu schwanger. Glaub mir, ich hatte selbst jahrelang immer einen Kasten Bier in der Speisekammer stehen.« Beate von Randow zwinkerte ihrem Küken zu.
Wenige Minuten später stand Karoline mit einem großen Bierglas, in dem das trübe Hefeweizen schwappte, auf dem Ladys’ Lunch und musste es unter den fürsorglichen Augen aller weiblichen Gäste bis zum Bodensatz austrinken. Das Küken und seine Unfruchtbarkeit waren plötzlich in den Mittelpunkt gerückt. Niemand achtete mehr groß auf Toni, die jeden Schluck von Karoline genoss. Man sah ihr an, wie widerwillig sie das Hefeweizen trank. Kein Wunder. Es war erst mittags, genau genommen 13.32 Uhr. Wer um diese Zeit nicht gerade in einem sonnigen Biergarten saß, der trank nicht freiwillig ein Bier. Und schon gar nicht einen halben Liter.
Toni drehte sich weg, um in Ruhe das Buffet anzupeilen. Jetzt, wo sie wusste, was sie essen durfte und was nicht, gab es ja kein Problem. Gerade war sie dabei, zwei der hübsch anzusehenden Crostinis mit Paprika-Roulade auf ihren Teller zu tun, da packte sie eine Hand am Unterarm. Der Griff war hart, fast krallend. Toni sah die langen, wunderbar manikürten Finger mit dem teuren Verlobungsring von Chopard - ein Dreireiher, oben und unten blankes Weißgold, wunderbar
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