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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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gerundet, dazwischen eine Schicht Diamanten. Karoline ließ kein bisschen locker, während sich ihr Mund dicht an Tonis Ohr schob.
    »205 Kilokalorien. So viel stecken in einem halben Liter Hefeweizen. Für 205 Kilokalorien muss ich mich dreißig Minuten auf dem Crosstrainer quälen. Du wirst mir jeden Tropfen
Schweiß, den ich dabei verliere, bezahlen, Antonia Jungbluth. Du bist Geschichte.« Und danach war sie weg. Angeblich musste sie sofort ins Fernsehstudio, zur Aufzeichnung ihrer Sendung.
    Toni hatte einen anderen Verdacht. Karoline war schlecht. Vermutlich übergab sie sich irgendwo am Rand eines Zehlendorfer Gartens. Unter einem Fliederbaum oder in einen Rhododendron hinein. Die Frau aß ja kaum etwas, so ein Hefenweizen haute die doch glatt aus den Schuhen. Toni musste grinsen. Vergnügt lud sie sich noch eine der köstlich aussehenden Knoblauch-Kräuter-Artischocken auf den Teller.

14
    Der Alltag im Hause Jungbluth setzte wieder ein. Und damit die Pflichten. Georg hatte Toni als Ehefrau gekauft, und die wollte ihre Sache gut machen. Dazu gehörte auch die Sache mit dem Ehrenamt - die Organisation der großen Gala für den Deutschen Hausfrauenbund.
    Die Zeit war knapp, deshalb hatte Toni ihre Freundin Margot um Unterstützung gebeten. Heute würde das erste Vorgespräch mit der DHB-Landesvorsitzenden von Berlin stattfinden. Allerdings nicht in ihrem Büro, nein, die Frau hatte darauf bestanden, dass Toni und Margot sie in Aktion sahen. »Damit Sie wissen, worüber wir reden«, hatte sie am Telefon gesagt. Treffpunkt war die Bertolt-Brecht-Gesamtschule, die in einer nicht besonders feinen Gegend Berlins lag.
    Eigentlich wirkte das Gebäude der Bertolt-Brecht-Gesamtschule auf den ersten Blick vielversprechend. Ein prächtiger Gründerzeitkasten, der eher einer Trutzburg ähnelte als einer Schule. Von Weitem imposant und traditionell. Doch sobald man näher trat, entdeckte man, dass der Putz abbröckelte und der Stuck ganz verrußt war. Der Schulhof war weitgehend kahl, für die jüngeren Schüler standen zwei, drei traurige Spielgeräte herum, die Rost angesetzt hatten. Richtig schlimm wurde es drinnen. Toni entdeckte feuchte Stellen an den Wänden unter den Fenstern, offensichtlich drang hier bei starkem Regen das Wasser ein. Sie gingen an einem mehr oder weniger kahlen
Schaukasten für Bekanntmachungen vorbei. Es wurde dort lediglich für ein Anti-Gewalt-Programm geworben. Aus einigen Klassen drangen durch die geschlossenen Türen Stimmen. Noch zwanzig Minuten bis zur nächsten Pause.
    Die Tür vom Gang zur Mädchen-Toilette stand weit offen - und der Gestank war unerträglich. Sie war am unteren Rand zerborsten, offensichtlich hatte jemand dagegengetreten. Toni versuchte, die Tür zu schließen, aber das Schloss rastete nicht mehr ein. Der Anblick der Toiletten selbst war bleibend - die Kacheln uringelb und total verschmiert, irgendwelche Sprüche oder Logos, an die Kachelwand geschmiert. Der zerstörte Papierhandtuchhalter hing nur noch an einer Schraube. Was allerdings egal war, es gab sowieso keine Papierhandtücher mehr. Eine der Klotüren stand so weit auf, dass sie den Blick auf die Schüssel freigab - ein niedriges, ehemals porzellanweißes Objekt, mit einem schwarzen geborstenen Plastiksitz und einer Spülung, per Kette zu betätigen, wie früher, als die Wasserkästen noch hoch über dem Klo gehangen hatten. Drumherum lag verstreut Papier. Toni hielt sich die Nase zu und machte, dass sie schleunigst aus dem Luftraum der Toilette herauskam.
    Sie hatte in der Zeitung gelesen, dass es an Berliner Schulen schlimm aussah. Aber so? Auch Margot, sonst um kein Wort verlegen, ging stumm neben ihr her. Der Flur war lang, die Wände gezeichnet von Hunderten Schleifspuren der Schüler, die sie mit ihren Ranzen gerammt oder mit ihren Turnschuhen dagegengetreten hatten. Auf dem Boden trostloses graues Linoleum, das seine besseren Tage längst hinter sich hatte. An den Rändern rollte es sich hoch. Wortlos gingen sie an den Räumen 126, 127, 128 vorbei. Bald musste der Raum 136 kommen.
    Was für eine tolle Schule könnte man daraus machen, dachte sich Toni im Stillen. Als Innenarchitektin hatte sie einen Blick für das Potenzial des Gebäudes. Und inzwischen verspürte sie ja
auch eine gewisse Liebe zur Gründerzeit. Eine Million Euro, und man könnte das Gebäude umwerfend sanieren - modern und doch traditionell. Toni spürte, wie sie die Lust überkam, endlich wieder zu arbeiten. Nur noch sechs Wochen. Dann

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