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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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grinste in sich hinein. Besser hätte sie es nicht ausdrücken können.
    Die freundliche Miene von Ramona Rottenbacher verdüsterte sich. »Ich will Ihnen nichts vormachen - gerade die Schulklassen sind eine schwierige Klientel. Doch ich setze auf die Einsicht der Schüler. Alles, was wir ihnen beibringen, wird ihnen eines Tages das Leben erleichtern. Gerade Sie, Frau Jungbluth, wissen doch nur zu gut, wie viel Eleganz eine gut gefaltete Serviette auf den Tisch zaubern kann.«
    Komisch, dachte Toni, dass ausgerechnet sie das Wort Eleganz gebraucht. Nichts an Ramona Rottenbacher war elegant. Sie war eher gemütlich-sportlich. Wenn die rotblonde Toni in ihrem Biesenblusenkleidchen sich mittlerweile in eine Art Luftwesen verwandelt hatte, dann war Ramona Rottenbacher dagegen eine ganz und gar geerdete Person, Mutter von drei Kindern und leidenschaftliche Hausfrau.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte Toni höflich, während sie Ramona Rottenbacher dabei beobachtete, wie sie neben dem Gemüseberg einen zweiten Haufen anlegte. Dieser bestand aus offensichtlich ungesunden Lebensmitteln: Fertiggerichte, Mikrowellenreis, Tütensuppen, extrem gesüßte Joghurts. Genau das Zeug, das Toni nach der Rückkehr in ihrer Wohnung vorgefunden hatte. Die Käsescheibletten und die Dose Champignonsuppe aus dem Kühlschrank könnte sie gleich dazustellen. Womöglich sollte sich Georg mal zum Haushaltsführerschein anmelden.
    Ramona Rottenbacher schüttelte den Kopf. »Danke, ich bin gleich fertig mit meinem Aufbau.« Sie sah kurz auf und lächelte Toni an. »Ihr Mann sagte mir, Sie lieben »Gartenlaube«-Romane. Genau wie ich. Wilhelmine Heimburg und ihr Roman ›Herzenskrisen‹. Toll!«

    »›Eine unbedeutende Frau‹«, ergänzte Toni - so hieß ihr Lieblingsroman von Wilhelmine Heimburg.
    »›Die Andere‹«, sagte nun Ramona Rottenbacher.
    »Und erst die Marlitt.« Eugenie Marlitt war die Bestseller-Autorin des späten 19. Jahrhunderts gewesen. Sie hatte Hunderttausende verkauft, immer neue Auflagen waren gedruckt worden, immer neue Ausgaben bis weit ins 20. Jahrhundert auf den Markt gekommen. »Ich liebe ›Die zweite Frau‹. Was für ein Roman.«
    » Das Tizianhaar ist ja jetzt en vogue - die Romane wimmeln von rotköpfigen Heldinnen, die alle unsäglich geliebt werden - Geschmackssache!«, murmelte Ramona Rottenbacher und vermied dabei, die rotblonde Toni anzusehen.
    Margot stand neben den beiden Frauen und rollte mit den Augen. »Ist das Autoquartett jetzt zu Ende, oder soll ich mal mitspielen?«
    In diesem Moment wurde die Tür zum Raum 136 mit solcher Wucht aufgestoßen, dass sie gegen die Innenwand knallte. Doch wer nun erwartete, die Schüler der 9. Klasse würden voller Energie in den Kochsaal hineinstürmen, der hatte sich getäuscht. Betont langsam schlenderten die ersten Schülerinnen mit gelangweilten Gesichtern in den Raum. Keine sagte »Hallo« oder gar »Guten Morgen«. Einige warfen einen kurzen Blick auf die Lebensmittel, die Ramona Rottenbacher aufgebaut hatte, verzogen abfällig den Mund und witzelten mit ihren Freundinnen. Auch Toni und Margot wurden kurz gemustert, ein Funken Respekt war in den Augen der Schülerinnen erkennbar. Toni trug offensichtlich teure schöne Markenware, das war einen taxierenden Seitenblick wert. Und die tätowierte Margot war eine echte Erscheinung. Ramona Rottenbacher dagegen wurde von niemandem registriert. Sie existierte für die Schülerinnen der 9. Klasse kaum - eine irgendwie alte, unschöne Frau. Nichts weiter.

    Der Strom der Schülerinnen riss nicht ab, inzwischen waren es schon vierzehn oder fünfzehn. Die Mädchen hatten eine Vorliebe für sehr enge Kleidung aus Baumwolle, die Höschen auf Dreiviertellänge, darüber bauchfrei und Kapuzenjacke, oft ein Piercing im Bauchnabel. Die Dauerwelle schien in diesem Stadtteil Berlins überlebt zu haben, mindestens ein Drittel trug unnatürlich aussehende Locken. Ein weiteres Grüppchen kam zur Tür herein. Margot hielt die Hand hoch, um die Mädchen abzubremsen, berührte dabei aber keine. Es war klar, hier fasste man niemanden ungefragt an. Das gab Ärger.
    »Seid ihr etwa eine Mädchenschule? Wo bleiben denn eure Jungs?«, fragte Toni die Mädels.
    »Kein Bock«, sagte eine und schob dabei ihren Kaugummi von einer Backe in die andere. Den Jungs war also der Haushaltsführerschein zu blöd. Eigentlich nicht überraschend.
    In diesem Moment betrat ein Junge die Klasse, die Haare durch glänzendes Gel extrem geformt. Er

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