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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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überwältigte und die einen höchst interessanten, tatsächlich weniger männlichen Orgasmus zur Folge hatte.
    Viktor lachte leise, als er sich wieder in sich selbst zurückverwandelte, als Sabine, Bettina, Ira, die Tscherkessin und die Imaginations-Ausgabe von Ellen, die fünf guten Geister also, die er gerufen hatte, sich lächelnd entfernten – und auch die echte Ellen lachte nun, ehe sie einschlief, leise in sich hinein.

    »Zu meinem sechzigsten Geburtstag in ungefähr zwanzig Jahren würde ich gern wissen, mit welchen Frauen er etwas gehabt hat«, sagte Ellen beim hastigen Frühstück zu Sabine. Viktor kam gerade aus dem Bad und schaltete sich ein: »Du müßtest bis dahin allerdings präzisieren, was du genau unter ‘gehabt haben’ verstehst.«
    Sabine war verwirrt von dem Gespräch der Eheleute über ihren Kopf hinweg und drängte auf Aufbruch.
    »Werden wir uns wieder zanken, wer unsere Besucherin zum Bahnhof fahren darf«, fragte Viktor.
    Er fuhr. Sabine, jetzt ohne lila Hose, nutzte die Fahrt um zu sticheln. Ellen sei eine faszinierende Person. Viktor habe eine so souveräne Frau nicht verdient. Sie könne sich vorstellen, mit Ellen befreundet zu sein. Davon habe sie mehr als von einem unorganisierten Liebhaber. Sie sei heilfroh, daß es nicht zu einer Hotelnacht gekommen sei.
    Viktor schwieg.
    »Da verschlägt es dem Dichter die Sprache«, sagte Sabine.
    Viktor schwieg, weil er über die rätselhafte Mächte der Freundlichkeit und Offenheit und Natürlichkeit nachdachte – lauter sympathische, begrüßenswerte Eigenschaften, und doch hatten sie auf Sex und Eros eine verheerende Wirkung. Durch die harmlosen Übernachtungen im Gästezimmer war das gegenseitige Begehren zwischen ihm und der Tscherkessin und die immer noch vorhandenen Anziehungskräfte von Sabine empfindlich gestört worden. Wenn Viktor Realist gewesen wäre und nicht jeden Pessimismus für sein Leben ausgeschlossen hätte, dann hätte er sich fragen müssen, ob diese beiden Fälle Tscherkessin und Sabine nun nicht erledigt und abgeschlossen wären.
    Die üblichen Ehefrauen machten die üblichen Szenen, wenn durch Regiefehler verdächtige Personen oder auch nur verräterische Gegenstände in ihrer Nähe auftauchten. »Von wem ist dieses lange blauschwarze Haar?«–»Wer hat dir diesen Brief geschrieben?«–»Wer war diese Frau? Ich will sie nie wieder sehen!« Oder, noch dümmer: »Wenn du diese Frau noch einmal triffst, ist es aus mit uns!« Furchtbare Floskeln einer immer noch existierenden bürgerlichen Welt. Mit solchem klassischen Keifen trieben die Frauen ihre Männer erst recht in die Arme der Geliebten – und damit in den Ruin. Und natürlich gab es genügend Männer, die ihren Frauen mit ähnlichem Geschrei außereheliche Vergnügungen vorenthalten wollten. Das Ganze nannte sich zivilisierte Gesellschaft. Dabei war das Beziehungsgezeter rückständiger als die gepflegten Liebesregeln mancher wandernden Beduinenstämme.
    Die unübliche Ellen, obwohl keine Beduinenfrau, nahm die fremden Damen großherzig auf. Das war wirklich zivilisiert. Vor allem war es raffiniert. Es war vermutlich die wirkungsvollste Methode, brisante Liebschaften zu entschärfen. Denn die Liebe war nach wie vor nicht zivilisiert. Die Liebe brauchte ein Versteck. Sie glomm und schwelte und glühte und züngelte im Verborgenen – und sicher nicht unter den Augen einer toleranten Ehefrau.
    Es war ein kühler Abschied von Sabine, ein bißchen traurig auch, denn gestern war noch ein unverhofftes Stückchen Glut dagewesen, der Rest eines alten Feuers, und nun schien alles endgültig erloschen zu sein. »Also dann«, war Viktors hilfloser Zuruf, als die Türen der Zugs sich schlossen.
    Unfälle kommen in Serie. Auch einem antiabergläubischen Rationalisten wie Viktor war dieses unerklärliche Naturgesetz bekannt. Es würde nicht bei der Entschärfung Sabines und der Tscherkessin bleiben, das war ihm klar. Je geschickter er versuchen würde, weitere Verwandlungen von Liebsten in Freundinnen des Hauses zu vermeiden, desto unvermeidlicher würde es geschehen.
    Viktor spürte, daß die Nasenring-Tina Ellens nächstes Opfer werden würde. Kein endlich besorgtes Handy, kein Herumlungern auf dem Flughafen, um die beringte Bettina bei ihrer Ankunft abzufangen, könnte verhindern, daß sie bei ihm punktgenau zu einem Zeitpunkt anrufen würde, an dem er nicht zu Hause war und Ellen ans Telefon ging, um ihr sofort anzubieten, sich nach der anstrengenden Reise bei einem

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