Der Liebessalat
Handy anschaffen. Ich hab ihr gesagt, daß sie hier schlafen kann. Du hast doch nichts dagegen? Mit Rebecca war es ja auch ganz nett. Du kennst wirklich ungewöhnliche Leute. Ihre lila Lederhose wird dir gefallen. Ich muß jetzt wieder ins Büro. Wir können abends zusammen essen. Koch doch mal wieder was. Vielleicht hilft sie dir ja.« Ellen lachte. Dann rief sie in Richtung Gästezimmer: »Ciao, Sabine, bis heute abend!«, winkte Viktor zu und verschwand.
Viktor ging ins Gästezimmer. Sabine bezog das Bett. Sie war genau so schlank wie damals, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, und trug diese unglaubliche lila Lederhose. Wie hatte sie sich in der kurzen Zeit seit der Horrornacht in Hannover so verändern können? Wie konnte ein menschlicher Köper in so kurzer Zeit so viel Speck verlieren und sich von einem Fladen zurück in eine elegante Gerte verwandeln? Viktor war so überwältigt, daß er all seine Prinzipien vergaß. Er wollte nur noch diesen Hintern und diese langen schlanken Beine fühlen und diese Frau häuten, sich an ihren Schultern festkrallen und dann Einzug halten in ihr. Wie damals beim überwältigenden ersten Mal.
Er umarmte die wiederhergestellte Sabine, doch die blieb steif wie ein Stock. Wütend stampfte sie schließlich mit einem Bein auf den Boden. Sie trug Schuhe mit Absätzen. Es knallte und sah elegant aus. Wie bei einem Torero. Daß Ehefrauen immer diese asexuellen weichen Schuhe tragen mußten! Alle. Ella, Ira, Ellen. Nach einem halben Jahr Ehe fanden sie ihre hübschesten Schuhe häßlich und watschelten in tantenhaften Gesundheitslatschen herum. Viktor kniete sich neben die zürnende Sabine, umklammerte einen ihren langen Oberschenkel und preßte sein Gesicht an die laszive Lederhaut. Sie stieß ihn zurück. »Warum hast du kein Handy! Du immer mit deinem Scheiß Handy-Haß! Warum gibst du mir eine Karte, auf der die Büronummer deiner Frau steht! Was ist das für eine Organisation!«
»Du bist einen Tag zu früh dran«, sagte Viktor. Diesmal aber hatte er sich geirrt. Sabine war nicht zu beschwichtigen. Genauer: Sie war dann doch zu beschwichtigen, aber zu verführen war sie nicht mehr. »Bist du verrückt!« sagte sie nur: »Hier in der Wohnung! In dem Bett, das mir deine Frau zur Verfügung gestellt hat. Das geht nicht. Ich kann nicht mit Männern schlafen, deren Frauen ich kenne und die nett zu mir sind und die ich selbst auch noch nett finde. Es ist aus, vorbei, Ende.«
Wäre Sabine so dicklich wie neulich in Hannover gewesen und hätte sie diese graue Haßhose angehabt, wäre Viktor jetzt erleichtert. Sabine aber stand blitzend blank und elastisch vor ihm, eine einzige Verlockung. Sie betrachtete das nun fertig gemachte Bett, stampfte wieder toreroartig mit dem Fuß aufs Parkett und lachte laut und hart auf: »Daß da vor zwei Tagen deine wilde Jüdin geschlafen hat, ist auch so ein Ding! Hast du bei ihr mehr Glück gehabt?« Sie nahm das Kopfkissen und schlug damit auf Viktor ein: »Es ekelt mich alles an!« rief sie, sah aber gar nicht so aus.
Viktor wunderte sich: »Das hat dir meine Frau auch erzählt?«
»Ja«, sagte Sabine, »Frauen können sehr solidarisch sein.«
Sabine entschied sich, orientalisches Lamm zu machen. »Damit du deine tscherkessische Rebecca nicht vergißt«, sagte sie. Eine Bemerkung, die von Ellen hätte stammen können und die Viktor sofort mit Wärme erfüllte. Er flehte Sabine an, noch eine Nacht zu bleiben, er werde morgen ein Hotelzimmer buchen, so oder so, und dort auf sie warten. »Buch es, ich bleibe nicht«, sagte sie leichthin und schnitt das Lammfleisch klein. Viktor sagte, er werde sterben, wenn er morgen nicht Gelegenheit hätte, sie aus ihrer lila Haut zu schälen. Sie lachte laut und übermütig.
Plötzlich hatte er einen Verdacht. Er ging in sein Arbeitszimmer, suchte den Terminkalender und stellte fest, daß morgen Bettina, genannt Nasenring-Tina, aus Luzern von Madagaskar oder welchem Tropenort auch immer kommend in Zürich einschweben und sich möglicherweise gleich bei ihm melden würde. Erneutes Verhängnis. Drohende Kollision. Um sich von den Schrecken einer weiteren Katastrophe abzulenken, malte Viktor sich sofort die amüsanteste und befriedigendste aller Lösungen aus: Schon sah er sich mit Sabine im Hotelzimmer liegen, die abgestreifte lila Hose grüßt von der Stuhllehne. Gleichzeitig sah er Ellen mit der Nasenring-Tina hier im Wohnzimmer auf ihn warten und Konversation machen. Er sah, wie Ellen plötzlich genug
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