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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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ihm, um der Frage Nachdruck zu verleihen.
    »Hör mal«, sagte Viktor.
    Sie gab noch keine Ruhe: »Oder hattest du gehofft, du würdest mal etwas mit ihr haben können?«
    »Wo denkst du hin«, sagte Viktor.

    Von diesem Tag an ging es bergab. Wenn die Enterotisierung je ein Spiel gewesen war, dann wurde es jetzt mit einem Schlag ernst. Selma war alles andere als die große Hoffnung seines Lebens gewesen, aber eine paar kleine verrückte Hoffnungen auf eine kleine verrückte Liebschaft mit ihr hatte sich Viktor doch gemacht. Sein riskant konstruiertes Lebens- und Liebes- und Arbeits-Gebäude aus Lügen und Halbwahrheiten und Sichwas-Einbilden und Sich-was-Vormachen und nicht zuletzt dem dringend nötigen Schuß Wirklichkeit hatte viele Jahre gehalten. Selma war nur ein Baustein von vielen – aber indem ihm der so unsanft entzogen wurde, kam alles zum Einsturz.
    Viktor verlor die Lust am Leben und Lieben und Schreiben und den Glauben an sich selbst. In keinem Café, auf keiner Straße sah er Frauen, die ihm gefielen, und er konnte nicht begreifen, daß er sich eben noch vor Lust hatte dreiteilen wollen, um mit drei fremden Frauen gleichzeitig ein neues glückliches Leben zu beginnen. Der geplante Roman zerfiel in sich zu einem Nichts. Er hatte sich in all seinen Schriftstellerjahren immer wieder über sich selbst lustig gemacht und als einen Autor stilisiert, der immer möglichst blind und bis über beide Ohren verliebt sein müsse, um etwas schreiben zu können. Empfindungen könne er nicht erfinden, hatte Viktor gewitzelt, er müsse sie frisch erleben, um sie frisch aufschreiben zu können. Nun merkte er, daß dieses heiter hingepinselte Bild von sich selbst der Wirklichkeit völlig entsprach, daß nur die Hoffnung auf erotischen Gewinn ihm die Energie und die Ideen gab, die zum Schreiben längerer Texte nötig sind. Das Briefeschreiben war bei Viktor immer den Romanen vorangegangen und hatte sie begleitet und durchwirkt. Aber auch diese Lust, sich mitzuteilen und zu erzählen, war ihm gänzlich vergangen, wem hätte er zu berichten gehabt – und was?
    Als einzige ferne Flamme war ihm noch Ira in Amsterdam geblieben. Ihr hatte er in einigen kargen Zeilen sein Leid geklagt – und hatte sie damit abgestoßen. Sie mochte keine jammernden Liebhaber – verständlicherweise. Wenn schon ein Ex-Ehemann als Zweit-Lover, dann bitte sollte er strahlend und wohlgelaunt und siegesgewiß und unverletzlich auftreten – und nicht aus dem letzten Loch pfeifen.
    Da wurde Viktor klar, daß auch seine Briefe ihre Kraft verloren hatten. Antriebslos und ohne jedes erotisches Knistern konnte er Ira nicht beeindrucken. Sie antwortete ihm, er sei hysterisch, er habe zu viele Märchen gelesen, sie könne ja mal versuchen, den bösen Zauber zu brechen, hihi, vor allem wolle sie mit zweien ihrer Kinder nach Ligurien fahren, da böte sich Zürich als Zwischenstop an, im gastfreundlichen Haus Goldmann würden sie hoffentlich eine Nacht unterkommen. Obendrein wolle sie schon lange ihre Nachfolgerin einmal wiedersehen, die Frau, die es nun schon seit Jahren mit Viktor aushalte, und bei der Gelegenheit könne sie sich ja auch gleich vor Ort Ellens Entsexualisierungsstrategie aussetzen.
    Die Bügelbretter waren längst aus dem Gästezimmer geräumt und mit allen Materialien auf den Speicher verfrachtet worden. »Ich schreibe nie wieder ein Buch«, sagte Viktor, und weil ihm Ellen nicht glaubte, warf er trotzig alle Papierstapel seines seit Jahren gehegten Bügelbrett-Geheimarchivs zum Altpapier – in der Hoffnung, Ellen möge es klammheimlich retten und auf dem Speicher deponieren, was sie zu seiner Erleichterung auch tat.
    Ira kam dann tatsächlich mit zwei Kindern, und Viktor wunderte sich nicht, daß er in seinem Zustand ihre Attraktivität nicht mehr bemerkte, und auch nicht, daß Ellen, kaum war Ira ins Bad gegangen, um sich nach der Reise zu erfrischen, zu ihm sagte: »Nur ein Idiot wie du konnte eine so rassige Frau ziehen lassen.«
    Viktor verschanzte sich zunehmend in seinem Arbeitszimmer. Hier fiel ihm so wenig ein wie woanders, aber hier konnte er nicht bei seiner Einfallslosigkeit und Untätigkeit beobachtet werden. Er übernachtete auch immer häufiger hier. In den Jahren der unbeschwerten Kreativität hatte er auch oft seine Nächte an diesem Ort der unermüdlichen Produktion zugebracht, aber das waren Nächte voller heißem Telefongeflüster und voller ungestümer Brief- und E-Mail-Schreiberei gewesen. Nun gab es keine Liebe

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